Wie Fackeln im Sturm
weit?“
Lord Wynekyn schüttelte den Kopf. „Nein. Lange, hängende Ärmel entsprechen der neuesten Mode, meine Liebe.“ Mit einem Räuspern bot er ihr seinen Arm. „Dann lass uns gehen. Gewiss werden wir schon erwartet.“
Willa ließ nur ungern von dem weichen Stoff ab, über den sie verträumt strich. Mit einem unsicheren Lächeln hakte sie sich bei dem älteren Mann unter und ließ sich aus dem Gemach führen.
„Mein … mein …“
„… Gott“, ergänzte Jollivet trocken, als er Lucans erstauntem Blick folgte. Erst da sah er, warum der Ritter so ins Stottern geraten war. Die Frau, die Lord Wynekyn mit leicht zitterndem Arm die Treppe hinunterführte, war wie eine göttliche Erscheinung. „,Mein Gott' wolltest du sagen. Obgleich Göttin in diesem Fall besser passen würde, denke ich.“
Auch Hugh wandte sich nun der Treppe zu und spürte augenblicklich, dass sein Mund ganz trocken wurde. Schon in ihrem Bauernkleid war Willa lieblich anzusehen gewesen, aber in dem Gewand, das Lord Wynekyn ihr mitgebracht hatte, bot sie einen geradezu prachtvollen Anblick. Als Hugh schmachtende Seufzer neben sich vernahm, schaute er die beiden Männer an, die ihm in der Halle Gesellschaft leisteten. Er sah ihre ehrfurchtsvollen Mienen und wunderte sich, dass selbst sein unmännlicher Vetter ganz vernarrt in Willa war.
Die Trauung fand auf den Stufen der Kapelle statt. Pater Brennan vollzog die Zeremonie in einem feierlichen Tonfall, während alle Bediensteten und Ritter von Hillcrest die Arbeit niederlegten, um Zeuge dieses würdevollen Moments zu werden.
Später fand man sich in der Großen Halle zu einem Festmahl ein. Es duftete nach Gewürzen und Bratenfleisch. Das üppige Mahl zog sich über Stunden hin und bestand aus mehreren Gängen: Es gab Suppe, Törtchen, Brot, Käse, süße Soße, Hammelfleisch, Wildbret, Aal, Feigen, Taubenpasteten, Spanferkel, Schmorsalate, festlich hergerichteten Pfau, den geschmückten Kopf eines Ebers, in Mandelmilch gekochte Austern, Gans in einer Soße aus Trauben und Knoblauch, ein ganzes geröstetes Schaf in saurer Kirschsoße, Pasteten mit Pinienkernen und Zucker, dazu süßen Brei und warmen gewürzten Wein. Für die Gäste stand sogar Rosenwasser zum Säubern der Hände bereit. Die Köchin hatte sich wahrlich selbst übertroffen, insbesondere wenn man in Betracht zog, wie wenig Zeit sie für die Vorbereitungen gehabt hatte.
Hugh erlebte den ganzen Abend in einer Art Taumel, denn obwohl er die Speisen und Getränke genoss, machten sich seine Erkältung und sein Schlafmangel allmählich bemerkbar. Schon bald schwankte er leicht auf seinem Stuhl hin und her, und immer häufiger fielen ihm die Augen zu. Als er beinahe mit dem Gesicht auf das Tranchierbrett gesunken wäre, wurde Hugh bewusst, dass er Gefahr lief, in der Hochzeitsnacht vor Erschöpfung einzuschlafen. Doch diese Aussicht konnte er unmöglich hinnehmen. Müde ließ er den Blick durch den Saal schweifen. Er war sich ziemlich sicher, dass inzwischen der letzte Gang aufgetragen wurde, aber er wusste nicht genau, ob die besondere Tischdekoration dieses Ganges schon hereingebracht worden war. Gleich nach dem ersten Gang hatten die Gäste einen großen Adler und später ein Bildnis des Heiligen Andrew aus Marzipan und Teig bestaunt und schließlich … nein, das ist bislang alles gewesen, dachte er. Der dritte und letzte Augenschmaus war noch nicht gebracht worden, wie er erschöpft feststellen musste. Da öffnete sich auch schon die Tür zur Küche, und die Köchin betrat die Halle.
Feierlich führte Alsneta einen Tross von zwölf Männern an, die einen riesigen Teller trugen, auf dem eine Burg mit einem Durchmesser von sechs Fuß aufragte. Als die Köchin die Träger an den Kopf der Tafel orderte, wo Hugh und Willa Platz genommen hatten, erkannte Hugh, dass die Dekoration eine genaue Nachbildung von Hillcrest war. Rufe des Erstaunens erfüllten die Halle, und Hugh sah, mit wie viel Liebe zum Detail die Nachbildung angefertigt worden war. Wie es schien, bestand auch die Burg aus Marzipan und gefärbtem Teig. Erst jetzt entdeckte Hugh kleine Marzipanfiguren auf den Stufen des Burgfrieds, die zweifellos den Burgherrn und seine Gemahlin darstellen sollten. Nicht ohne Stolz machte Hugh sich bewusst, dass er eine ausgesprochen fähige Köchin auf der Burg hatte. Er nickte der Frau anerkennend zu, während er sich fragte, ob die Burg auch zum Verzehr geeignet war. Meistens waren derlei Gebilde es nicht, aber dieses sah zum
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