Wie Fackeln im Sturm
Anbeißen aus. Hugh erhielt seine Antwort, als die Köchin die Burgträger wieder in die Küche führte und gleichzeitig andere Bedienstete mit Oblaten, Obst und einer süßen Weinschaumcreme namens vyn dowce herauseilten.
Demnach war die Burg nicht essbar. Nicht, dass es ihm etwas ausgemacht hätte … Hugh war eigentlich mehr als satt. Das müssten sämtliche Gäste sein. Er beobachtete, dass Willa den Bediensteten andeutete, ihr nicht mehr aufzutragen. Gott sei Dank, dachte er erleichtert, als er von einem weiteren Hustenanfall geplagt wurde. Der Zeitpunkt war gekommen; Hugh konnte nicht mehr länger an der Tafel sitzen. Nachdem er lange genug gelitten hatte, nahm er einen letzten Schluck von dem gewürzten Wein, um die trockene Kehle anzufeuchten. Sodann zwang er sich zu einem Lächeln und tippte Willa auf die Schulter, die sich gerade angeregt mit Lord Wynekyn unterhielt.
„Sollten wir nicht langsam nach oben gehen?“
„Nach oben?“ fragte sie überrascht. „Aber es ist noch so früh. Ich bin überhaupt noch nicht müde.“
„Nun, wir möchten doch nicht, dass Ihr an diesem Abend müde seid.“
„Warum? Ich kann nicht schlafen, wenn ich nicht müde bin.“
„Ja. Aber es ist unsere Hochzeitsnacht“, erwiderte er geduldig und warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. Einen Moment lang befürchtete er, seine junge Braut wisse womöglich gar nicht, was es mit dem Ehebett auf sich habe; doch dann hellte sich ihre Miene schlagartig auf.
„Oh! Ihr möchtet …“ Sie verstummte und errötete. Rasch erhob sie sich und wandte sich Lord Wynekyn zu. Hugh hörte, wie sie höflich sagte: „Entschuldige, Onkel. Ich muss mich jetzt zurückziehen.“
„So früh schon?“ rief der ältere Mann erstaunt aus, und Willa fügte erklärend hinzu: „Ja, ich fürchte, mein Gemahl wünscht, das Ehebett mit mir zu teilen.“
Lord Wynekyns erschrockener Blick wanderte zu Hugh. Der ältere Mann lächelte gequält und sprach: „Natürlich wünscht er das.“
Hugh spürte, dass ihm das Blut brennend ins Gesicht schoss, erhob sich schnell und ergriff Willas Arm. „Kommt.“
„Nein.“ Lord Wynekyn war von seinem Platz aufgesprungen und packte Hugh am Arm. „Dies ist kein Wettlauf, Hugh“, raunte er mit gesenkter Stimme. „Gestattet Eurer Braut, sich in Ruhe auf alles vorzubereiten.“
Hugh wollte schon widersprechen, als er den Hoffnungsschimmer in dem Gesicht seiner Braut bemerkte. Schließlich gab er mit hängenden Schultern nach. Er hatte sich in ihrer Gegenwart schon einmal wie ein Stümper benommen und hegte nun keinesfalls die Absicht, einen weiteren Fehltritt zu begehen.
„Nun gut“, stimmte er unglücklich hinzu. „Bereitet Euch vor.“
Willa schenkte ihrem Gemahl ein dankbares Lächeln und hielt dann Ausschau nach Eada. Aber die Frau war nirgends zu entdecken. Einen Moment lang war sie verwirrt, erinnerte sich dann jedoch, dass zu Beginn des Banketts jemand die alte Frau gebeten hatte, der Hebamme unten im Dorf bei einer schwierigen Geburt zu helfen. Wie es schien, war Willa auf sich allein gestellt. Der Gedanke bereitete ihr Unbehagen, und so verspürte sie das Verlangen davonzulaufen, als sie auf die gewundene Treppe zuschritt.
Ihre unbestimmte Angst erschreckte sie ein wenig. Willa hatte nie geglaubt, eine solche Beklommenheit zu spüren. Schließlich hatte Eada ihr alles erklärt. Sie wusste, was auf sie zukam, und daher gab es keinen Grund, feige zu sein. Was sie erwartete, klang allerdings nicht sonderlich angenehm. Tatsächlich empfand sie die Vorstellung eher als seltsam und unliebsam. Dennoch, offenbar bringt es mehr Freude, als man zunächst vermuten möchte, denn sonst würden es die Menschen nicht so oft tun, versicherte sie sich mehrfach. Langsam erklomm sie die Stufen und überlegte, wo sie sich für eine Weile zurückziehen könnte.
Sie war unschlüssig und geradezu ängstlich.
Unglücklicherweise hatte Eada betont, dass das erste Mal ziemlich unangenehm sei. Sie hatte behauptet, es würde Schmerzen und Blut geben, beides würde indes die Unschuld der Braut beweisen. Gleichwohl konnte Willa sich glücklich schätzen, denn die treue alte Frau hatte auch einige Vorkehrungen getroffen, um Willa bei dem heiklen Moment zu helfen. So hatte sie eine Kräutermischung mit beruhigender Wirkung bereitet, damit Willa einige Unannehmlichkeiten erspart blieben.
Da sie die ganze Zeit über mit der bevorstehenden Hochzeitsnacht beschäftigt war, war es nicht verwunderlich, dass Willa sich
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