Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)
einstellten.
Dreizehntausend Vorgänge und Karteien und Datenbanken, die wie die übrigen fünfzigtausend überhaupt erst zu den Millionen Akten führten, verschaffte sich der CIA, noch heute stolz auf einen »der größten Triumphe, die wir je hatten«.Wie die Amerikaner da rankamen, haben sie nie verraten, ob direkt über einen Stasi-Mann, der sich seinen Lebensabend vergolden ließ, oder über ehemalige KGB-Agenten, die dem Klassenfeind von gestern aus gleichen Gründen das Material übergaben. Der Name »Rosenholz« hat übrigens nichts Mythisches, Geheimnisvolles, Märchenhaftes. Er war eine von drei mit R beginnenden Bezeichnungen für die Karteien und gefiel offenbar einem Mitarbeiter des bundesdeutschen Verfassungsschutzes am besten. Die Rosenholz-Sammlung ist heute in der Birthler-Behörde beheimatet, denn die Amerikaner haben »Rosewood« wieder an die Deutschen übergeben, nachdem sie die Dateien ausgewertet hatten für ihre Zwecke: 293 000 Karteikarten der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) und 57 000 Vorgangskarteien, in denen Vorgänge enthalten sind samt einer Registriernummer, mit deren Hilfe man wiederum auf den Karteikarten die Echtnamen finden kann. Insgesamt sind 279 327 Personen in den Dateien verzeichnet.
Die geheimen Staatsaktionen der kurz nach dem Sturz des Politbüros einsetzenden Aktenvernichtung blieben nicht geheim,
denn die eigenen Truppen hatten sie verraten. Sie wollten nicht zu Prügelknaben des Volkszorns werden und verweigerten den Befehl Reißwolf. Soldaten und Offiziere des Wachregiments »Feliks E. Dzierzynski«, einer Eliteeinheit des Ministeriums, zu der elftausend Mann gehörten (benannt nach Feliks Edmundowitsch Dzierzynski, einst in Moskau Gründer der politischen Geheimpolizei Tscheka), schwer bewaffnet zuständig für die Sicherheit aller Stasi-Einrichtungen in der DDR, protestierten unter dem Motto »Wir sind auch das Volk« gegen die insgeheim angeordnete Vernichtung der Akten: »Den Fahneneid und die Aufnahme des Dienstes haben wir im Namen von Verbrechern durchgeführt … Wir wurden von Feinden des Volkes missbraucht, dafür lassen wir uns nicht hängen... Wir haben Angst, dass man uns aufhängt für das, was wir nicht getan haben.«
Was die »Tschekisten« eigentlich auf Befehl von oben gegen das Volk tun sollten, ist ebenfalls dokumentiert. Für alle fünfzehn SED-Bezirke waren seit mehr als fünfundzwanzig Jahren, also lange vor den Ereignissen 1989, Isolierungslager geplant. In den Karteien der Stasi, die laufend aktualisiert wurden, standen unter dem Stichwort »Vorbeugekomplex« 86 000 Namen von DDR-Bürgern, die im »Spannungsfall oder Verteidigungszustand« festgenommen und hinter Stacheldraht gesperrt werden sollten. Alle verzeichneten »feindlichen Elemente« sind laut Anweisung »laufend durch IM unter Kontrolle zu halten« und die Planungen »tagfertig« aufzuarbeiten. Für Ausländer oder Transitreisende waren im Ernstfall Internierungslager vorgesehen, Kapazität 25 000, darunter laut Kartei 855 Diplomaten und Korrespondenten aus Berlin. Internierung galt für die Gegner und Risikogruppen von draußen, Isolierung für die Aufmüpfigen der eigenen Bevölkerung.
Solche Methoden sind charakteristisch für jede Diktatur. Die zweite deutsche hat sie perfektioniert und bis ins letzte Detail – Kennziffer 4.1.1. bis 4.1.5, für die es zusätzlich »Präzisierungen gemäß Anlage 6« gibt – bürokratisch ausgearbeitet: »Zur Gewährleistung einer umfassenden Objektsicherung sind erforderliche Bauelemente (Betonpfähle/Maste) auf Bevorratung zu planen.
Diese Planung... sollte bis 1990 die geplante Gesamtmenge erreichen... Den Festnahmegruppen ist ein Merkblatt auszuhändigen, welches die Sachen umfaßt, die zu isolierende Personen mitzunehmen haben: Oberbekleidung und Schuhwerk entsprechend der gegenwärtigen bzw. bevorstehenden Jahreszeit. Unterwäsche (mindestens 3x). 3 Paar Socken/Strümpfe/Strumpfhosen. Nur Frauen: 1 lange Hose, 2 Kittelschürzen. Nachtwäsche. Ar beitskleidung.Tampons oder Zellstoffbinden (nur Frauen). 2 Decken. Verpflegung für 1 Tag...«
Als auf den Straßen schon das Volk die Macht übernommen hatte, noch am 8. Oktober 1989, befahl MfS-Chef Erich Mielke in einem Fernschreiben an die Leiter aller Einheiten, ab sofort ständig Waffen zu tragen und »alle Personen herauszuarbeiten, von denen aufgrund der vorliegenden Hinweise und Erkenntnisse... antisozialistische und andere feindlich-negative Handlungen und Aktivitäten zu
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