Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
verstünde was von Kabarett. Er hätte 1945/46 bei Bädertourneen den Ansager gemacht, er sei ein guter Ansager. Darauf sagte ich: »Das ist eigentlich nicht das, was ich mit Kabarett meine.« Er darauf: »Dit war aba jut. Ick bin imma jut anjekommen beim Publikum. Mein Name is übrijens Sammy Drechsel.« – »Okay«, sage ich, »dann verstehen Sie sicher ’ne Menge von Fußball.« Er: »Von Fußball versteh ick wat.« Als wir dann in Schwabing richtig Kabarett spielten, kam er wieder und meinte, er könne doch Regie führen. Ich habe gesagt: »Ich bin dagegen.« Das Ensemble sagte: »Wir sind dafür.« Drei zu eins haben sie also gewonnen gegen mich, und Sammy machte jetzt Regie. Ich sagte: »Der hat doch keine Ahnung!« Es stellte sich heraus, dass er wirklich keinen Schimmer hatte. Aber er machte es hervorragend – er ließ uns einfach laufen, so wie wir waren.
E NSIKAT: Sag ich ja: Regie im Kabarett ist Hochstapelei. Da zählt, viel mehr als im Theater, die Persönlichkeit des Kabarettisten, und die kann man nicht inszenieren.
H ILDEBRANDT: Na eben! Jetzt stellte sich aber heraus: Sammy hatte eine unglaublich gute Nase für Texte. Klaus Peter Schreiner und ich merkten das sofort an der Art, wie er mit unseren Texten umging. Da hat er uns wirklich geholfen. Er hat die Programme richtig zusammengestellt, und das war seine Regie. Schließlich meinte er, ich solle auch Fußball spielen. Er wollte nämlich eine Fußballmannschaft gründen, die »FC Schmiere«. Da sollten alle Schauspieler mitspielen. Er hatte gemerkt, dass ich was von Fußball verstehe. Und dann haben wir uns immer gestritten. Wir hätten ein Quiz eröffnen können. Er hat zum Beispiel nichtgewusst, wo »Amicitia Viernheim« gespielt hat, in welcher Liga, und dass »Rhenania Würselen« bei Aachen liegt und dass es »Rhenania Würselen 05« heißt. Er hat dann mit seinen Kenntnissen dagegengehalten. Wir haben das wie zwei Verrückte betrieben. Schließlich musste ich dann wirklich wieder Fußball spielen. Das hatte ich lange nicht mehr gemacht, habe mich aber schnell wieder eingespielt und wurde Rechtsaußen. Das wurde mein Stammplatz. Ich kriegte die Nummer sieben, und die habe ich behalten. Ich war Standardspieler. Heute sagt man Startspieler. Bis zu meinem sechzigsten Lebensjahr habe ich mit Sammy Fußball gespielt. Er hat dann aber immer mehr richtige Fußballer in die Mannschaft geholt, und die Schauspieler wurden immer weniger. Eines Tages war es dann so weit, dass Sammy und ich allein mit allen Spielern der Weltmeisterschaft von 1954 spielten. Neben mir spielte Fritz Walter, in der Mitte waren Ottmar Walter und Liebrich, links war Schäfer, und hinten im Tor stand Toni Turek.
E NSIKAT: Wenn wir bei uns im Kirchwinkel Fußball spielten, stand ich immer im Tor und nannte mich Toni Turek. Der war mein großes Vorbild.
H ILDEBRANDT: Siehste! Toni war der Tollste von allen, ein Supermann. Er hatte einen so trockenen Humor, dass es knirschte.
E NSIKAT: Davon wusste ich natürlich nichts, nur dass er 1954 für Deutschland im Tor stand. Aber wir kanntennicht nur die deutschen Spielernamen. Wir haben die deutsche Mannschaft nicht mehr verehrt als die ungarische.
H ILDEBRANDT: Natürlich, Puskás, Ferenc Puskás.
E NSIKAT: Und Hidegkuti.
H ILDEBRANDT: Ja, Hidegkuti und Kocsis.
E NSIKAT: Wir waren zwar stolz, dass Deutschland gewonnen hatte – damals zählten wir uns ja noch dazu. Aber wir fanden, dass die Ungarn trotzdem besser gespielt haben.
H ILDEBRANDT: Ich hab die Übertragung damals nicht hören können, weil ich probiert habe. Ein Stück von O’Neill. Ich spielte die Hauptrolle. Das war bei meiner Schauspiellehrerin, die eine große Wohnung hatte. Im Nebenzimmer lief das Radio. Als ich mal einen Moment nicht dran war, ging ich rüber und hörte, wie die Ungarn das erste Tor schossen. Da dachte ich: Oh, das wird wieder wie im letzten Spiel mit den Ungarn – 8:3. Als ich in meiner nächsten Pause wieder rüberkam, schossen sie das zweite Tor. Jetzt sagte ich mir: »Da gehst du gar nicht mehr rüber, hat ja keinen Sinn. Dass die Deutschen am Schluss 3:2 gewonnen haben, habe ich gar nicht mitgekriegt.
E NSIKAT: Ich habe damals an unserem alten Volksempfänger gehangen. Zur deutschen Mannschaft, es war ja eigentlich eine rein westdeutsche Mannschaft, haben wir immer gehalten. Der DDR-Fußball, das war für uns nix.
H ILDEBRANDT: Bis dann der Sparwasser das Tor geschossen hat für die DDR. Ab Sparwasser war alles anders.
E NSIKAT: So
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