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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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ziemlich peinliches Gedicht, in dem ein Soldat an seine Rostocker Verwandtschaft schreibt: Ihr könnt ganz ruhig sein, ich steh mit den Genossen hier auf Friedenswacht am »antifaschistischen Schutzwall«, wie die Mauer offiziell genannt wurde.
    H ILDEBRANDT: Das passt gut zu einem Text, den ich damals nach dem Anhören von Propagandasendungen im DDR-Radio geschrieben habe. Da hat eine Frau ineinem Wunschkonzert allen Soldaten an der Front, also an der Mauer, warme Unterhosen gewünscht. Das brauchte ich nur zu wiederholen, und es gab einen Riesenlacher.
    E NSIKAT: Wann hast du das gemacht?
    H ILDEBRANDT: Das war eine Livesendung mit den »Stachelschweinen« Anfang September 1961, also kurz nach dem Mauerbau. Die Sendung war lange vorher geplant, und wir mussten jetzt natürlich reagieren. Das war für uns auch deshalb eine schwierige Sache, weil wir nun unseren Anhängern erklären mussten, wieso wir ihnen jahrelang eingeredet hatten, dass dieser vulgäre Antikommunismus, der in der Bundesrepublik verbreitet wurde, mit dem, was in der DDR wirklich passierte, nicht immer was zu tun hat. Die müssen sich einfach wehren gegen sämtliche Freibeuter dieser Erde, die nach Berlin kamen, am Umtauschkurs verdienten und das Land wirtschaftlich kaputtmachten. Und in dem Moment geben die da in Ost-Berlin allen Antikommunisten recht, indem sie die Mauer bauen.
    E NSIKAT: Wie gemein!
    H ILDEBRANDT: Was also tun? Wir hatten einen Vertrag mit dem SFB für eine Sendung »Freiplatz Berlin«. Normalerweise war das eine Schlagersendung mit Conférencen und so weiter. Daraus sollte diesmal eine Kabarettsendung werden als Gemeinschaftsprojekt der Berliner »Stachelschweine« und uns von derMünchner »Lach- und Schießgesellschaft«. Wir hatten uns natürlich vorher getroffen, um das Programm vorzubereiten. Der Text war fast fertig, und nun kam der erste Probentag, der 17. August 1961. Wir kamen alle frisch aus dem Urlaub. Ich war in Venedig gewesen, hatte vor einem Zeitungskiosk gestanden und dort aus der Zeitung erfahren, was los war – »Blocco di Berlino«! Mein erster Gedanke war: Jetzt fängt der Krieg an. Das lassen sich die Amerikaner nicht gefallen. Ich hab sofort den Sammy Drechsel, unseren Chef und Regisseur, angerufen und gefragt, ob es überhaupt noch einen Sinn hat, jetzt nach Berlin zu fahren. Er meinte nur: »Wieso? Wir haben ’nen Vertrag.«
    E NSIKAT: Also seid ihr nach Berlin geflogen, wo sie gerade die Mauer hochzogen?
    H ILDEBRANDT: Ja, aber die Mauer stand noch nicht, sie haben nur Stacheldraht gezogen. Aber die Grenze war zu, da kam man nicht mehr durch. Ganz West-Berlin war aufgeheizt, die Bevölkerung hochgradig erregt. Denn sie haben alle gedacht, was ich auch dachte: Jetzt fängt der Krieg an. Trotzdem gab es schon die ersten Witze. Ein Kind sagt zur Mutter: »Guck ma’, da steht’n Panza!« Die Mutter antwortet: »Lass’n steh’n. Die ham’s nich gern, wenn einer fehlt.«
    E NSIKAT: Das ist typisch Berlin – die Lage kann noch so schrecklich sein, man rettet sich ins Witzemachen.
    H ILDEBRANDT: Ein anderer Witz ging so: Zwei Vopos stehen auf der Mauer. Fragt der eine: »Wenn ick dirjetzt stoße, wat machst’n denn?« – »Denn schick ick dir jeden Monat ein Paket.« Solche Witze haben wir gesammelt. Ich musste mit meinem Koautor Klaus Peter Schreiner ja alles neu schreiben. Er die eine Hälfte, ich die andere.
    E NSIKAT: Ich habe damals immer gedacht, der Klaus Peter hätte eure Programme ganz allein geschrieben.
    H ILDEBRANDT: Mir hast du wohl so gute Texte gar nicht zugetraut? Aber den einen oder anderen habe ich auch beigesteuert. Wir waren von Anfang an ein Gespann. Er hat manchmal die besseren Texte geschrieben. Ich aber auch manchmal. Klaus Peter Schreiner jedenfalls war unersetzlich für mich. Wir waren ein Autorenpaar, das einfach passte.
    E NSIKAT: Gerade weil ihr so unterschiedlich seid.
    H ILDEBRANDT: Das auch. Wir saßen also in Berlin im Hotel und haben erst mal durchgesehen, was von den alten Texten noch brauchbar war. Das waren vielleicht drei oder vier Nummern. Begleiten sollte uns ein Riesenorchester, die Big Band von Hugo Strasser. Die saßen nun da und warteten auf neue Texte. In der Nacht haben wir zusammengehockt mit dem Rolf Ulrich, Wolfgang Gruner und viel Alkohol und haben ein neues Programm zusammengenagelt. Wir haben uns auch in überspitzte Anti-DDR-Parolen gerettet, um das West-Berliner Publikum erst mal auf unsere Seite zu kriegen. Andererseits haben wir aber auch darauf

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