Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
Vom Netzwerk:
hingewiesen, dass der Stacheldraht, der dortgespannt wurde, von einer Firma aus Köln stammte. Als die vom Sender davon hörten, meinten sie, das könnten wir nicht machen. Darauf sagten wir: »Wenn wir das nicht können, können wir auch das andere nicht machen.« Denn das war schließlich die andere Seite der Medaille. Warum war denn Adenauer nicht nach Berlin gekommen, wo er hingehört hätte? Warum wussten die Amerikaner, dass nichts weiter geschehen würde? Weil sie’s abgemacht hatten mit den Russen. Weil das in dem Sinne wirklich eine »Friedenerhaltungsmauer« war. Wer drinnen war oder draußen, musste bleiben, auch wer rüberwollte – ganz egal. Es war etwas, um den Kalten Krieg vorübergehend zu beenden.
    E NSIKAT: Auf Kosten der Ostdeutschen, die jetzt endgültig eingesperrt waren.
    H ILDEBRANDT: So war jedenfalls die Situation. Konnten wir den aufgewühlten Berlinern das alles zumuten? Über die Witze würden sie lachen, vielleicht sogar jubeln. Aber was war mit kritischen Texten? Zum Glück konnten wir es ausprobieren auf einer öffentlichen Probe in der »Schwangeren Auster«, die jetzt das »Haus der Kulturen der Welt« ist. Das Radio hat mitgeschnitten. Wir standen da auf der Bühne – zehn Mitwirkende – und haben neu geschriebene Lieder gesungen, auch ernste, eher niederdrückende. Das alles war ja kaum geprobt. Wir waren alle unausgeschlafen und hatten einen hohen Promillegehalt in uns. Jeder vonuns war in höchster Anspannung, und die hat sich aufs Publikum übertragen. Das ging über die Rampe in den Saal. Es war ein echtes Miteinander, eine kabarettistische Solidaritätserklärung. Ganz unglaublich! Das Publikum hat uns gar nicht mehr von der Bühne gelassen. Wir waren glücklich, und das Publikum war es auch. Wenn du das Ganze dann später auf Platte gehört hast – bäääh. Das kannst du heute gar nicht mehr mit anhören. Aber damals war es eine dolle Sache.
    E NSIKAT: Solche Ausnahmesituationen können wunderbar sein. Für uns im Osten wäre so eine Veranstaltung allerdings ganz undenkbar gewesen. Da kam kein Wort über die Rampe, das nicht vorher in den Parteiund Staatsgremien geprüft worden wäre. Zwei Jahre haben Schaller und ich im Schnitt gebraucht, um unsere Kabarettstücke auf die Bühne zu bringen. Wer da alles reinredete, worauf wir alles Rücksicht nehmen sollten, und dann dieser letzte Kuhhandel bei der Bühnenabnahme! Da saß ja nicht nur ein Zensor unten, da saßen viele, die immer Angst hatten, irgendeinen konterrevolutionären Pferdefuß zu überhören, den der Mitzensor eventuell gehört haben könnte.
    H ILDEBRANDT: Aktuelle Sachen konnte man da niemals machen, oder?
    E NSIKAT: Nein! Die Mauer musste erst gefallen sein, um das zu machen, was für euch normal war, Programme, in denen man jeden Abend was anderes ausprobierte, wo man improvisieren konnte – wenn man es dennkonnte. Silvester 1989 war ich in einer ähnlichen Situation wie ihr damals beim Mauerbau. Ich hatte in völlig ungewohnter Schnelligkeit ein Programm zu schreiben für ein Publikum, das sich in den paar Wochen seit dem Mauerfall total verändert hatte. Da lauschte keiner mehr auf leise Zwischentöne. Auf der Straße tobte inzwischen auch der Mob, auf vielen Kundgebungen in Sachsen, aber auch anderswo hörte man jetzt ganz alte, vergessen geglaubte deutsche Töne. Keiner wollte mit der DDR je etwas zu tun gehabt haben. Einer zeigte auf den anderen und alle gemeinsam auf Stasi und SED. Keiner auf sich. Das wollten wir den Leuten sagen. Je näher der Sendetermin heranrückte, desto unsicherer wurden wir. Ich jedenfalls betrat die Bühne für meine Einleitungsconférence mit einer weißen Fahne.
    H ILDEBRANDT: Das war schon frech!
    E NSIKAT: Ich hatte auch weiche Knie. Die Kollegen hinter der Bühne hingen an den Lautsprechern. Wir waren auf alles gefasst – dass sie uns mit Tomaten bewerfen oder einfach nur Buh rufen. Denn wir taten etwas sehr, sehr Unpopuläres. Unter anderem verteidigten wir den Modrow, der da als Ministerpräsident kaum eine Chance hatte, das Chaos im Lande zu beherrschen. Schließlich hatte ihn auch der Westen mal als Hoffnungsträger gesehen. Jedenfalls waren wir mit dem, was wir zu sagen hatten, absolut nicht auf der Höhe der Straße.
    H ILDEBRANDT: Ich erinnere mich. Ich habe das gesehen und fand es völlig in Ordnung, was ihr da getan habt. Es gab ja auch bei uns im Westen Stimmen, die gewarnt haben. Günter Grass zum Beispiel hat vor dem schnellen Zusammenschmiss gewarnt. Ihr

Weitere Kostenlose Bücher