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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kordić
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Brote ein statt zwei gesunde Laibe. Weil der will, dass du stirbst.
    Die Mutter verbietet mir draußen zu sprechen. Ich bin zu gefährlich. Die Mutter will nicht, dass der Vater nach Hause kommt, und wir sind alle vergiftet und liegen auf dem Küchenboden rum, wie wenn ein Klebestreifen mit toten Fliegen von der Decke fällt.
    Der Große Kampf ist nicht in der Stadt. Der Große Kampf ist in den Dörfern. Dort stehen die Panzer. Mit der Schule gehen wir über den Fluss. Wir gehen rüber zu den Mudschis. Wir sind jetzt zwanzig Kreuzerkinder und der Rest ist von den anderen Gruppen. Wir gehen über die alte Brücke und kommen zuerst an einer Moschee vorbei und dann an einer Boutique. Eins von den Mudschikindern bleibt stehen.
    Das Kind sagt: Dort, in dieser Boutique, arbeitet meine Mutter.
    Im Schaufenster sind Kleider für die Frauen mit den Kopftüchern, die jetzt heiraten.
    Der Lehrer sagt: Alle sofort stehenbleiben!
    Wir bleiben alle stehen. Der Lehrer flüstert dem Kind, das zwei Reihen vor mir steht, etwas zu und ich wünsche mir, dass der Lehrer mir das auch zuflüstert. Das Kind geht zu dem Kind, das vor der Boutique stehenbleibt.
    Das Kind sagt: Wir gehen erst weiter, wenn du auf das Schaufenster spuckst. Spuckst du nicht auf das Schaufenster, bekommen wir alle eine Strafarbeit.
    Der Junge kann drinnen in der Boutique seine Mutter sehen. Wir alle können die Mutter sehen. Die unterhält sich mit einer Frau und mit noch einer Frau, die bestimmt die Mutter von der anderen Frau ist.
    Wir alle rufen: Spuck auf das Schaufenster!
    Auch das Dschibskind, die Bergkinder und die anderen Mudschikinder rufen: Spuck auf das Schaufenster!
    Der Junge guckt uns an.
    Wir rufen: Spuck, spuck, spuck!
    Die Menschen bleiben stehen. Manche kommen an die Fenster von den Wohnungen, in denen sie leben.
    Wir rufen: Spuck! Spuck! Spuck!
    Der Junge zieht den ganzen Schleim aus der Nase hoch und rotzt eine riesige Ladung Spucke voll auf das Schaufenster von der Boutique. In Zweierreihen ziehen wir weiter. Hand in Hand gehen wir zu der Schule zurück. Nur der Junge, der auf das Schaufenster spuckt, muss eine Strafarbeit machen, weil der uns alle so lang vor der Boutique warten lässt. Zusammen mit den anderen Kreuzerkindern singe ich das Gardelied. Seit wir die Gruppen sind, ärgert mich keiner mehr. Die anderen Kreuzerkinder beschützen mich.
    Der Vater erzählt mir die Geschichte von dem besten Krieger aus den Baracken. Das ist so: Das Haus neben uns sieht aus wie unser Haus. Alle Häuser sehen hier so aus. Dort wohnt ein Junge, der ist sehr stark. Der ist doppelt so groß wie die anderen Kinder, und wenn der in die Schule geht, trägt er die Schultaschen von allen seinen Freunden. Nachmittags geht der hinter das Haus, wo die Wäschestangen und die angeketteten Hunde sind. Erst jagt der dreißig Fliegen, die er alle mit der Hand einfängt und in eine Plastiktüte wirft. Dann macht der hundert Klimmzüge, schwingt sich auf die Wäschestangen und balanciert darauf wie der Indianer aus dem Film. Der Junge wirft sich mit einem großen Sprung auf einen Hund und kämpft mit dem Hund und die wälzen sich im Dreck, bis keiner mehr erkennen kann, wer der Hund ist und wer der Junge. Der Junge ist so stark, dass der mit seinen Händen das Maul von dem Hund aufreißt, und der Hund will schlucken, wie auch ein Mensch, der schlucken will, aber der Junge macht ihm das Maul einfach nicht mehr zu. In den Armen von dem Jungen pumpen sich die Adern mit Blut voll. Auf den Knien beugt der sich über den Hund und stemmt ihm das Maul eine Stunde lang auseinander. Der Hund röchelt und legt sich auf den Rücken. Der Hund kann nicht mehr bellen und sitzt den ganzen Tag in seinem Haus. Wenn einer vorbeikommt, geht der sofort in sein Haus, und es ist fast so, wie wenn gar kein Hund mehr da ist in diesem Hundehaus. Dann nimmt der Junge die Tüte und isst alle dreißig Fliegen auf.
    Als die ersten Panzer in den Dörfern stehen, sagt der Junge: Mein ganzes Leben habe ich mich darauf vorbereitet.
    Obwohl die vom Militär den Jungen erst in zwei Jahren in den Großen Kampf schicken wollen und sogar der Vater noch nicht mal der Krieger ist, geht der Junge in ein Büro und bekommt eine Uniform. Einmal sehen wir den Jungen sogar im Fernsehen und auch du kannst ihn sehen, weil das die Nachrichten sind und keine Videokassette aus unserem Schrank. Der bindet sich ein Tuch um den Kopf, sitzt auf dem Panzer und mit ihm sitzen viele Krieger auf dem Panzer. Die rollen in ein Dorf

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