Wie ich mir das Glück vorstelle
Zauberwürfel
x das Stück gelbe Plastikschnur
x das Buch Das ist die Geschichte vom Weihnachtsmann
x das Bilderbuch, das so groß ist, dass du zu zweit drauf sitzen kannst
x das Fernglas
x die Schultasche
x die sieben Murmeln
x das Zippo
x die Packung Streichhölzer
x den Brief von der Oma
DIE BARACKEN
Wir haben jetzt das neue Radio. Den Grundig Yacht Boy 500. Der Vater kauft das Radio beim Elektroladen um die Ecke, als er zu Besuch ist. Das Radio funktioniert mit vier Batterien und mit dem Kabel, das auch mit in der Packung ist, als der Vater das Radio auspackt. Das Radio ist so groß wie die Hand von dem Vater und es ist alles digital. Das Radio ist viel besser als der Fernseher. Es macht nämlich kein Licht und wir können es überall mit hinnehmen, ohne dass einer uns entdecken kann, wenn es draußen dunkel ist. Wir können hören, was an der Front passiert, obwohl es so aussieht, wie wenn keiner zu Hause ist. Und du kannst sogar mit beiden Händen trotzdem noch irgendwas anderes machen, weil du dir nämlich das Radio mit einer Schlaufe um den Hals hängen kannst. Ich kann das. Für den Vater ist die Schlaufe zu klein. Der Vater kann sich das Radio nur an die Hand binden.
Der Bruder und der Vater und die Mutter schlafen noch. Ich stehe auf, schleppe einen Stuhl aus der Küche ins Wohnzimmer und nehme mir das Radio aus dem obersten Fach von der Glasvitrine. Da versteckt die Mutter auch immer die Weihnachtsgeschenke. Ich drücke auf dem Radio rum, bis ein Sender kommt, der Musik spielt. Da läuft ein Lied von Queen. Ich kenne das, weil der Bruder mir das Lied auf Kassette vorspielt und wir dazu tanzen. Einmal findet das Radio aber einen Sender, der Musik spielt, die wie Musik aus China klingt. Ich hänge mir das Radio um den Hals und mit den Zeigefingern drücke und ziehe ich an meinen Augen rum, bis ich aussehe wie der Chinese. Als der Vater nur in Unterhose plötzlich auch im Wohnzimmer steht, nimmt der mir das Radio wieder weg und schaltet einen Sender ein, auf dem die ganze Zeit einer spricht.
Der Vater ist dicker geworden, seit er nicht mehr Bauarbeiter ist, sondern Krieger. Er hat jetzt eine Tätowierung. Einen Wolf. Rechts oben auf dem Arm.
Der Vater sagt: Das ist die gute Brigade.
Auf zehn Knöpfen hat der Vater Sender abgespeichert, auf denen den ganzen Tag nur Frauenstimmen reden, und alle fünf Minuten wechselt der Vater den Sender. Solange der Vater wach ist, hängt der sich das Radio an die linke Hand oder hält sich den Kasten ans Ohr und spricht mit keinem. Er hört den Frauen zu, die ihm sagen, wo die Panzer stehen und welche Gruppe welche Dörfer erobert.
In der Stadt der Brücken gibt es drei Gruppen, das ist einfach zu verstehen. Die Kreuzer, die Mudschis und die Bergmenschen. Aber im ganzen Land gibt es noch solche Kreuzer und solche. Oder solche Mudschis und solche. Oder solche Bergmenschen und solche. Die wollen alle was anderes. Wenn die Kreuzer ein Dorf von den Mudschis haben wollen, aber in dem Dorf leben auch ein paar Kreuzer, kann das gut sein, dass die Kreuzer aus dem Dorf zusammen mit den Mudschis kämpfen, weil die nicht wollen, dass die anderen Kreuzer das Dorf einfach so kaputtschießen. Wenn du das verstehen willst, musst du den ganzen Tag Radio hören oder einen Menschen fragen, der den ganzen Tag Radio hört. Deshalb spielen die auch keine Musik mehr. Das ändert sich jeden Tag alles und am nächsten Tag wieder. Wenn du einmal den Anschluss verpasst, ist das, wie wenn ich dir das Buch vorlese, und du denkst nicht mehr mit. Dann verstehst du gar nichts mehr.
Entweder sitzt der Vater in der Küche auf dem Schemel oder er liegt auf dem Sofa im Wohnzimmer rum. Manchmal darf ich mich auf seinen dicken Bauch setzen und mir den Wolf angucken.
Ich darf nicht mit dem Vater sprechen. Auch der Bruder und die Mutter nicht. Durch das Schlüsselloch kann ich einmal sogar sehen, wie der Vater mit dem Radio auf der Toilette hockt und da eine Stunde lang nicht wieder runterkommt. Ich muss aber ganz dringend. Ich kann sehen, wie der Vater die Antenne von dem Radio so weit rausschiebt, dass die schon die Dusche berührt, und die Frauenstimme, die aus dem Radio rausspricht, klingt, wie wenn die neben dem Vater auf dem Klo hockt. Der Empfang rauscht auch nicht wie im Wohnzimmer.
Der Vater ruft: Mach irgendwo draußen!
Ich gehe hinters Haus, wo die Wäschestangen sind und ein paar angekettete Hunde von den Nachbarn. Wenn die Hunde nicht
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