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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: HanneLore Hallek
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läuft um zehn Uhr morgens niemand herum. Zwei alte Bäckersleute scheinen die einzigen Lebewesen zu sein, werkeln in ihrer Backstube, aus der es köstlich duftet. Freundlich sind sie, der gebeugte Mann, der mit einem hölzernen Schieber runde Brote aus einem feurigen Ofenloch zieht, und seine runzlige Frau mit ihrem Arm voll langem Pan; aber verständigen können wir uns nicht miteinander. Statt einer Information bekomme ich ein wunderbar frisches Brot. Vielleicht kann mir jemand im archäologischen Park weiterhelfen, der ist nur ein paar hundert Meter entfernt.
    Der kleine Ort ist schnell erkundet, die wenigen Straßen mit ein paar Dutzend Häusern, der Kirche auf dem Hügel und der Herberge daneben, die erst um 13 Uhr öffnet. Also weiter zu den Archäologen ins Freiluftmuseum. Einige junge Männer schlagen aus Feuersteinen Werkzeuge, und einer von ihnen spricht Englisch und rät mir, heute Nachmittag um vier zum Büro im Dorf zu gehen, dann beginnt dort ein Ausflug zu den Höhlen. Na, also! Hier ist es nicht sehr spannend, vielleicht eignet sich der Besuch eher für Kinder, ich gehe zurück und setze mich in den Schatten der Kirchhofmauer.
    Schläfrig von der Wärme beobachte ich einen Schäfer seine Herde über die Weite treiben, entfernte Bergketten und Aufblitzen von Sonnenstrahlen in bewegten Autoscheiben, weit, weit weg. Ich sitze einfach, tue nichts und lass die Zeit verfließen. Wie eine Königin im Märchen. Und das gefällt mir sehr.
    Als ich mittags zur Herberge komme, sitzt zu meiner Überraschung Maja schon im Garten. „Bist Du geflogen? Wieso bist Du schon hier?“ „Ich bin mit dem Bus gefahren, von Villafranca bis an eine Kreuzung, und die vier Kilometer hierher gelaufen. Die Ruhe hat mir gut getan und ich möchte auch mit zu den Höhlen.“ Toll, sie ist so guter Stimmung, ich fühle mich auch wohl, und jetzt planen wir etwas Gemeinsames. Vielleicht ist doch alles gut und wir haben nur eine kleine Krise.
    Warum bin ich immer so naiv?
    Unser Ausflug wird ein Flop, weil wir kein Wort der spanischen Führung verstehen, kaum etwas zu sehen bekommen und enttäuscht zurückkehren.
    Die Unzufriedenheit darüber macht uns wieder dünnhäutig und kritisch gegeneinander, und bei irgendeiner Belanglosigkeit meckert Maja mich an. Und ich kann nicht schweigen und es vorüberrauschen lassen, sondern muss darüber klärend reden — wie immer. Natürlich wird alles nur schlimmer, wir streiten und Maja rauscht ab, einkaufen. Ich schau ihr verärgert hinterher und höre aus der Gruppe neben mir einen jungen Mann zwei Frauen fragen: „Ist es bei euch auch schon so weit?“.
    Da macht es in meinem Kopf ,hupps, der meint ja uns, unseren Umgang miteinander’, und ich merke, dass es höchste Zeit für mich ist, aufzuwachen und zu schauen, was ich eigentlich mache und mit mir machen lasse.
    Als Maja zurückkommt, bitte ich sie um ein Gespräch nach dem Abendessen.
    Welch köstliches Essen und was für eine schauderhafte Stimmung. Unser Tisch ist eine Insel der Spannung im Kreis der plaudernden, fröhlichen Menschen in diesem Raum. Ich fühle mich mies und angespannt, und wir schaffen es nicht, normal miteinander umzugehen und die leckeren Speisen zu genießen.
    Ja, und dann sitzen wir im Dunklen auf der Steinbank vor der Herberge und wollen beide nicht, dass es jetzt so ist, wie es ist, fühlen uns beide nicht wohl. Maja sagt mir, was sie stört, und ich sage ihr, was mich stört, und dass ich diese Stimmungen und Empfindlichkeiten nicht mehr auf dem Camino mit mir herumschleppen möchte, dass ich überlege, allein zu gehen. Davon fühlt sich Maja bedroht und verunsichert, doch sie fasst die Realität in Worte. „Es ist nicht nur unser unterschiedliches Temperament, zwischen uns stimmt die Chemie nicht. Aber lass uns erst mal drüber schlafen Natürlich habe ich wieder das obere Bett...

Zu viel
Atapuerca — Burgos > 22 km

    Kein Wort fiel über unseren Streit, aber Unbehagen und Unsicherheit umwaberten uns, und in der Rückschau ist es nicht verwunderlich, dass dieser Tag anstrengend wurde.

    Freundlich begegnen wir uns, als wenn nichts wäre. Ich habe hinter einem Vorhang einen Wasserkocher und Becher entdeckt und für uns Tee gekocht, und nach einem kleinen Frühstück verlassen wir das schon leere Haus im Morgengrauen, sind schnell durch den Ort auf einem Hügel, wo wir unter einem großen Kreuz dem Sonnenaufgang zusehen. Heute ist ein ebenso schöner Morgen wie gestern, doch nichts ist mehr wie es war.

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