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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: HanneLore Hallek
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aber nach kurzer Zeit schweißnass aus einem Traum auf:

    Eric sitzt auf meinem Brustkorb, will mir helfen zu atmen. Fasst unter meine Rippenbögen, drückt sie zusammen und hebt dann meine Rippen an. Ich sterbe fast.

    Zitternd und erschreckt stehe ich auf, versuche, mit ruhigem Atmen und Herumlaufen meine Sinne zur Ruhe zu bringen, und glaube zu verstehen: Durch Erics Verhalten bekomme ich Angst, weil ich mich erkenne, das schnürt mir die Brust zu. Doch im geweiteten Brustkorb findet mein Herz Platz und ich kann meine Gefühle wieder spüren.
    Die letzten Stunden Schlaf waren ein Segen, das Grauen ist vorbei. Doch hier liegt mein Heft mit den Aufzeichnungen von letzter Nacht. Ich kann nicht mehr leugnen, dass ich gemein zu mir und anderen bin. Damit muss Schluss sein! Immer hab ich mir vermeintlich Schwache ausgesucht, um sie zu demütigen, niemals jemanden, der mir selbstbewusst gegenübertritt. Um mich stärker zu fühlen? Das würde bedeuten, wenn ich stark bin, Kraft und Stolz spüre, werde ich auf niemanden mehr herabsehen und brauche keine Opfer mehr. Und bin dann handlungsfähig, kann sagen ,bis hierhin und nicht weiter’, werde auch selbst nicht mehr Opfer.
    Also her mit euch, Kraft, Mut und Handlungsfähigkeit, ich weiß, dass ihr da seid, lasst mich Löwin statt Maus sein, lasst mich gerechter und liebevoller zu mir und meiner Umwelt werden! Weg mit meinem Gefühl, ich bin weniger wert als alle anderen. Wo ist die schöne, wertvolle Frau? Warum vergesse ich sie immer wieder?
    Diesmal weiß ich, warum ich weine. Aus Glück und Erleichterung. Aus Erschütterung und Qual. Und dann muss ich lachen, weil León Löwe heißt, und ich in León zur Löwin geworden bin, und verspreche mir, diese Nacht nie mehr zu vergessen.
    Jetzt fühle ich mich besser. Zufrieden mit mir. Und kann Eric anders begegnen, der immer noch hier ist und sich weiter um mein Wohlergehen sorgt, Ingwer für Umschläge um meine Schienbeine kauft und nettes Essen.
    Doch als er beginnt, mit den Vermieterinnen zu streiten, packt und mir sagt: „Komm mit, wir gehen woanders hin“, bin ich klar.
    „Nein, ich gehe nirgendwo hin, ich bleibe hier auf meinem Bett sitzen und schaue mir an, wie du dich aufführst, und werde gleich traurig, aber auch erleichtert sein, wenn du weg bist. Danke für alles, aber es ist anstrengend für uns beide geworden. Wir sind uns zu ähnlich.“ Er sieht mich überrascht und verunsichert an: „Vielleicht hätten wir mehr miteinander sprechen sollen. Trink viel, setz dir immer was auf den Kopf, geh langsam, mach dir Umschläge um die Beine, der Ingwer muss fünf Minuten kochen, und pass auf dich auf.“ „Danke, Papa“. Und dann geht er.
    „Adieu, mein Freund.“

    Er würde mir fehlen, aber ich wusste nicht wirklich, warum ich jetzt weinte.
    Da saß ich nun allein in León. Was jetzt? Jetzt erinnerte ich mich an meine Kraft. Meinen Beinen ging es besser, vielleicht sollte ich bald weitergehen. Ganz allein. Dann würde ich aber eine Krücke brauchen. Einen Reiseführer. Um mich sicherer zu fühlen und wenigstens zu wissen, wohin ich gehen würde, wenn ich schon nicht wusste, ob ich gehen kann. Also raffte ich mich auf und ging hinaus auf die Straße.
    Als Erstes schenkte ich mir einen Rundgang in der Kathedrale, deren faszinierende Fenster im Sonnenlicht leuchteten, und eine Führung in der Basilika San Isidoro mit dem Pantheon der Leóneser Könige und herrlichen romanischen Fresken. Und wieder wirkte der Zauber der Schönheit beglückend auf mich, und mein Mut, den Weg bald fortzusetzen, wurde größer.
    Und dann erinnerte ich mich daran, dass ich eine Frau bin, kaufte mir neue Gesichtscreme und ein luxuriöses, schwarzes Laufshirt! Und einen englischen Reiseführer. Weil der so schwer war, riss ich alle Seiten heraus, die ich nicht mehr brauchte. 480 Kilometer Jakobsweg warf ich weg, schweren Herzens, denn die Fotos darauf waren so schön. Mein altes blaues Shirt warf ich dazu. Weil es trotz täglichem Waschen stank.
    Dann packte ich den köstlichen Käse aus, den ich in einem winzigen Laden entdeckt hatte, verspeiste ihn mit Wasser und Brot, saß glücklich und ängstlich in der Abenddämmerung und war ganz sicher, dass dies mein letztes Mahl in León sein sollte. Am nächsten Tag würde ich weiterwandern, fünf Tage Ruhe mussten reichen.
    Und mit Gottes Hilfe würde ich laufen können.

... damit wir unter Deiner Führung gesund und wohlbehalten zum Endziel des Weges gelangen und bereichert mit Gnaden und

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