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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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er die Redaktion betreten, warf sein Gehirn von alleine alle Gedanken an Beatrice Wagner in einen hinteren Abstellraum. In der Ecke neben dem Kopierer stand eine heulende Tina, und die Althoff stand vor ihr und machte ihr halb laut, aber sehr nachdrücklich heftige Vorhaltungen. »Wie kannst du nur!«, hörte er sie aufgebracht zischen, und Tina schluchzte, während ihre Tränen schwarze Wimperntuschestreifen über die Wangen zogen. Anscheinend heulte sie schon etwas länger. Als sie Mattes erblickte, erschrak sie und versteckte etwas hinter ihrem Rücken. Mit ängstlichem Blick sah sie ihn an, als er auf sie zukam. Frau Althoff drehte sich um. Sie hatte rote Flecken im Gesicht und sah aus, als hätte sie sich aufgeregt, sprach jetzt aber wieder mit ihrer geschäftsmäßig distanzierten Stimme: »Guten Morgen, Herr Reuter. Wir haben ein kleines Problem, das aber sofort behoben sein wird.«
    Kleines Problem?, dachte er. Da wird irgendetwas mit ihren Spionagesachen schiefgelaufen sein. Hat Tina nicht so gespurt, wie Don Althoff es gerne gehabt hätte?
    »Was ist los?«, fragte er im Tonfall eines Polizeikommissars und wollte sich diesmal nicht abschütteln lassen. Vor allem wollte er wissen, was Tina hinter ihrem Rücken versteckte.
    »Nichts ist los«, flüsterte die und begann wieder zu heulen.
    Wer weiß, was die Althoff ihr angedroht hatte, wenn sie reden würde. Die arme Kleine! Mit sanfter Stimme sagte Mattes: »Tina, zeig mir, was du in den Händen hast!«
    Sie blickte ihn mit rot geweinten Augen an, und er sah die verschmierte Wimperntusche in ihrem Gesicht und hoffte, er müsste sie nicht tröstend in den Arm nehmen, weil das Zeug seine Jacke total verdrecken würde. Bekam man das beim Waschen raus? Egal, wie schrecklich ihr Schicksal war, in den Arm nehmen nach Möglichkeit nicht, dachte er.
    »Ich hab nichts«, schluchzte sie und hielt die Arme weiterhin krampfhaft nach hinten. Frau Althoff sah ihn an und sagte ruhig: »Wir regeln das schon«, aber damit ließ er sich nicht abspeisen. Er war ganz nah dran, das fühlte er.
    Die Althoff ignorierend sagte er eindringlich: »Ich will dir doch nur helfen, Tina«, und war mehr als nur leicht überrascht, als von ihr nur ein abweisendes: »Näää!« kam.
    Neben sich hörte er die Althoff seufzen. Ruhig befahl sie: »Tina, zeig deine Hände!«
    Tina sah sie entsetzt an, schluchzte auf und nahm langsam ihre Arme nach vorne, während neue Tränenbäche die letzten Wimperntuschereste lösten. Verwirrt starrte Mattes auf ihre Hände, die eindeutig leer waren. Nach der ersten Verwunderung – er hatte fest mit geheimen Dokumenten gerechnet – bemerkte er, dass die Finger rot und geschwollen aussahen. Zwischen den Fingeransätzen gab es dunkelrote Stellen. Folter? Hallo? Wieso dachte er jetzt an Folter? War er völlig übergeschnappt? Die Althoff war vielleicht in irgendwelche Sachen verstrickt, aber sie folterte keine Praktikantinnen. Jedenfalls nicht so, dass sie dabei Spuren hinterließ.
    »Sie hat Haare gefärbt«, erklärte Frau Althoff. »Und sie reagiert allergisch auf die chemischen Substanzen. Das ist der Grund, warum sie die Ausbildung im Friseursalon nicht weiterführen konnte.«
    Tina schluchzte: »Die Yasmin ist schuld, die wollte unbedingt, und ich hab gesagt, da krieg ich voll Plack, und sie sagt, is ja nur wenig, und ich hab gedacht, is ja nur für Strähnen und nicht für alles, und da hab ich das gestern gemacht.«
    Sie heulte los und war kaum noch zu verstehen: »Die is voll blöd, die Yasmin.«
    Frau Althoff wandte sich an sie und sagte eindringlich: »Du darfst das nie mehr machen, Tina, hörst du? Auch nicht, wenn es nur wenig ist. Du siehst ja, was dabei rauskommt. Darum bist du doch hier, damit du nicht mehr mit Färbemitteln arbeiten musst.«
    Tina wischte sich mit beiden Händen durch das Gesicht und verteilte die Tusche damit bis zu den Ohren. Dankbar sah sie Frau Althoff an.
    »Die Yasmin ist voll die Tussi. Ich sach der beim nächsten Mal, sie soll sich ihre abgefuckten Strähnchen selber reintun.«
    »Wasch dir dein Gesicht und dann gehst du zum Arzt, damit du etwas zum Einreiben bekommst«, befahl Frau Althoff, und Tina nickte und verschwand im Toilettenraum.
    Mattes fühlte sich wie vor eine Wand gelaufen. Das Hochgefühl mit kriminalkommissarischer Autorität und höchstem Kombinationstalent alle Arten von undurchschaubaren Situationen auflösen zu können war verschwunden. Der Fall hatte sich von alleine und in eine ganz andere

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