Wie immer Chefsache
um mit Beatrice durch den Wald zu laufen. Er hatte mit Nadine einen Termin bei einem Tierarztseminar in Hannover ausgemacht, wo es um neuartige Methoden komplizierter Hüftgelenk-Operationen für Hunde gehen würde.
Zum Glück traf er Beatrice am anderen Morgen noch im Park und konnte rechtzeitig absagen. Sie guckte ein wenig enttäuscht, zeigte zu seiner Erleichterung aber Verständnis. Mit Erstaunen bemerkte er, dass er zum ersten Mal in seinem Leben einen beruflichen Termin aus eigenem Antrieb vor einen privaten stellte. So was kannte er an sich überhaupt nicht. Bisher hatte er immer eine Lösung gefunden, die Arbeit mit ganztägigen Aufenthalten am Badesee und langen Stunden im Straßencafé zu verbinden, wenn ihm danach war. Er konnte sogar ein ganzes Wochenende mit Freunden in Paris verbringen und fest behaupten, dass es gleichzeitig auch ein Arbeitsaufenthalt war. Dass er jetzt die Verabredung mit Beatrice absagte und keinen Augenblick ernsthaft darüber nachdachte, wie er sie mit seinem Termin verbinden könnte, überraschte ihn. Ich bin wie ein Terrier, der sich in etwas verbissen hat und nicht loslassen kann, dachte er. Aber wie ein Terrier finde ich das völlig in Ordnung.
Bevor er danach zur Arbeit fuhr, klingelte er bei Astrid, die ihn vorwurfsvoll ansah.
»Du bist ja nur noch unterwegs. Kennst du mich überhaupt noch?«, schnaubte sie.
»Spinn nicht rum! Wir haben uns erst vor drei Tagen gesehen. Im Moment habe ich einfach viel zu tun.«
Sie verdrehte die Augen: »Tja, deine Freundin müsste man sein, dann hätte man dich jeden Tag in der Nähe.«
Er wusste, dass seine folgende Frage ihre Vermutung noch bestätigen würde.
»Ihr habt doch eine Gästematratze. Kann ich mir die mal ausleihen?«
Astrid grinste breit und sah ihn triumphierend an: »Ach?«
»Stell keine Fragen, sag einfach, ob ich sie haben kann!«
»Ja, kannst du«, lächelte sie süffisant, schob dann aber energisch hinterher: »Aber nicht, dass der Hund da draufliegt!« Sie drohte: »Wenn ich nachher ein einziges Haar von Mina finde, bist du tot.«
»Mina schläft nicht im Bett«, sagte Mattes.
Astrid lachte: »Das sagen doch alle. Und alle haben ihre stinkenden Köter, die vorher durch die Scheiße gelaufen sind, unter der Decke liegen.« Sie schüttelte sich. »Ekelhaft!«
Mattes drängelte: »Ich hab’s eilig. Kann ich die Matratze gleich mitnehmen?«
»Sie steht im Gästezimmer neben dem Schrank. Du kannst dir auch eine Decke und ein Kissen mitnehmen, wenn du willst, die liegen in der großen Kommodenschublade.«
Mattes ging an ihr vorbei und sagte liebevoll: »Wenn ich dich nicht hätte.«
»Dann lägst du schon längst in der Gosse«, antwortete sie mit Nachdruck.
Eine Matratze in seinem Büro würde es ihm ermöglichen, in dringenden Fällen bis spät in die Nacht zu arbeiten und anschließend ein paar Stunden zu schlafen. Schön war das nicht, vermutlich aber schon bald notwendig. Sollte Astrid doch weiterhin an eine neue Freundin glauben. Dabei hatte er gerade erst Beatrice absagen müssen. Stichwort absagen, er würde es heute Abend auch nicht zur Tennisstunde schaffen. Er musste mit Peter zu einer Züchterin nach Münster und würde erst spät zurückkommen. Sie züchtete »kleine Münsterländer«. Tolle Idee, eine Hunderasse nach der Region zu benennen, aus der sie stammte. Wenn es die »kleinen Münsterländer« gab, dann sollte es eigentlich auch den »großen Ruhrpottler« und den »mittelgroßen Sachsen-Anhalter« geben. Alex würde am Abend mal wieder alleine auf dem Tennisplatz stehen. Die Gespräche mit ihm und das Eintauchen in seine gewohnte Welt fehlten Mattes. Den nächsten Freitag würde er sich freihalten. Ganz sicher.
In der Redaktion war der Stress nun bei allen deutlich zu spüren. Nadine und Peter waren viele Stunden und manchmal sogar ganze Tage unterwegs, um Fotos zu machen oder für Berichte zu recherchieren. In den Zeiten dazwischen arbeiteten sie an den Artikeln oder sprachen mit Mattes die Aufteilung und das Layout ab. Stundenlang saßen sie zu dritt über Bergen von Fotos und suchten aus, was als Aufmacher genommen werden sollte, ob der Artikel lieber viele kleine oder wenige große Bilder brauchte. Schwarz-weiß oder Farbe? Der Nikotinqualm in Peters Zimmer wurde immer dichter, und die Zigarette im Mundwinkel schien wie festgetackert. Er verließ das Büro nicht mehr am Nachmittag, sondern blieb oft bis in die Abendstunden. Hätte nicht Frau Althoff jeden Abend die fertigen Texte
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