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Wie Jakob die Zeit verlor

Wie Jakob die Zeit verlor

Titel: Wie Jakob die Zeit verlor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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Fallrohr und …“
    „Ist das gut?“
    Marius lächelte über Jakobs Unwissenheit. „Das bedeutet, dass der Speicher mit dem Abwassernetz der Nachbarwohnungen unter uns verbunden ist. Wir brauchen keine neuen Rohre verlegen zu lassen und können da zum Beispiel die Toilette anschließen. Zwischenwände existieren ja teilweise auch schon. Vielleicht war mal geplant, den Dachboden auszubauen, und man hat es dann nicht zu Ende gebracht.“
    Marius hatte ihn mit dem Vorschlag, den alten Speicher auszubauen, vor zwei Wochen überrascht. Das Haus gehörte einer Bekannten von Marius’ Mutter, einer alten Dame, die sich bereit erklärt hatte, ihnen die Wohnung mitten im Studentenviertel zehn Jahre mietfrei zu überlassen, wenn sie die Kosten für die Sanierung übernähmen. Für Jakob hatte es sich zuerst wie das Geschäft des Jahrhunderts angehört, allerdings war er da noch von kleineren Schönheitsreparaturen ausgegangen, von Tapezieren und Streichen. Aber jetzt …
    Marius jedoch lief mit federnden Schritten durch den Speicher, zeigte enthusiastisch auf die Stellen, an denen die Gauben für die großen Fenster einer Balkontür eingebaut würden; wo man eine Wand versetzen müsste, um ein Zimmer zu vergrößern; deutete auf die Decke, die herausgerissen werden musste, damit die Holzgiebel des Spitzdaches zum Vorschein kamen; redete von Dämmung, die erneuert werden musste. Mit Zollstock und Taschenrechner bewaffnet, maß er Längen und Breiten aus, berechnete die benötigte Menge von Glaswolle. Jakob hatte ihn schon lange nicht so energiegeladen, so voller Vorfreude gesehen.
    „Wie viel Quadratmeter sind das eigentlich?“, fragte er. Der Dachboden wirkte riesig.
    „Ungefähr 70. Wir könnten daraus ein Wohnzimmer machen, jeweils ein Zimmer für dich und mich, eine kleine Küche und ein kleines Bad.“
    „Hast du eine Ahnung, wie viel Arbeit das ist?“ Jakob war noch immer skeptisch. Er starrte auf seine Hand. Er hatte sich nur kurz an der Wand angelehnt, jetzt waren die Finger rabenschwarz.
    „Ich bin Architekturstudent. Ich weiß genau, was da auf uns zukommt: Staub, Dreck, Schutt und monatelanges Schuften. Allein für die Decke brauchen wir einen Container. Die Bauarbeiten übernehmen wir selbst. Ich weiß, wie das geht. Nur für die Elektrizität, die neuen, großen Fenster und die Heizung brauchen wir Handwerker.“ Er scharrte mit den Schuhen über den fleckigen, grauen Estrich. „Der Boden müsste noch geebnet werden“, murmelte er.
    „Marius! Warum können wir uns nicht einfach eine Mietwohnung nehmen? Wir sind nur zu zweit! Und wir sind nicht gesund. Glaubst du nicht, dass so ein Vorhaben unsere Kräfte übersteigt?“
    „Mir geht es gut!“ Marius’ Antwort klang schärfer, als Jakob erwartet hatte. „Ich fühle mich prima.“
    „Du warst seit Monaten nicht mehr zur Kontrolle! Du hast keine Ahnung, ob es dir gut geht!“
    Ein Schatten huschte über Marius’ Gesicht. „Was hältst du von einer Gasetagenheizung? Die Therme würde dann in die Küche kommen und die wäre dann … hier.“ Er machte ein paar Schritte nach links und deutete auf einen Bereich neben dem imaginären Bad. „Wir ziehen eine neue Wand mit YTong-Steinen. Das geht ganz einfach. Und nach vorne raus hätten wir dann sogar einen Balkon, auf den zwei Stühle und ein Tisch passen.“
    „Du hörst mir gar nicht zu. Und woher sollen wir überhaupt das Geld dafür nehmen? Das kostet doch Unsummen!“
    „30.000 Mark. Ich hab schon einen Kostenvoranschlag grob durchgerechnet.“
    Jakob schnappte nach Luft. „30.000! Na, das ist doch easy! Das zahl ich doch locker vom Geld, mit dem ich mein Studium finanziere. Weißt du, wie mein derzeitiger Kontostand aussieht? Ich bin mit dreihundert in den Miesen.“ Er tippte sich an die Stirn. „Wo sollen wir so viel Kohle herkriegen?“
    „Meine Eltern.“ Marius grinste verschämt. „Sie finanzieren die ganze Sache. Ich hab schon mit ihnen gesprochen. Ich hab meiner Mutter gesagt, wie schön es doch wäre, wenn ich wieder näher an zu Hause wohnen würde. Ich könnte sie öfter besuchen.“ Was er nicht erwähnte, war, dass sein Vater nicht zu Unrecht darauf hingewiesen hatte, dass er dann auch gleich wieder zu Hause einziehen könne. Warum er denn unbedingt mit einem Studentenkameraden eine Bude teilen wolle? Marius war kurz davor gewesen, seinem Vater an den Kopf zu werfen, weil er Jakob liebe, aber die Augen seiner Mutter hatten ihn gewarnt.
    „Und du willst wirklich jeden Tag nach

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