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Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht

Titel: Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Chatfield
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Mindestalter – sind gefallen. Wer Pornografie haben möchte, bekommt sie auch: sofort, anonym, frei von monetären und emotionalen Kosten. Darin gleicht die Pornografie praktisch allem anderen in der digitalen Sphäre.
    Sie ist normal in dem Sinne, dass sie nur einen weiteren Teil des Service darstellt. Auch die Pornografie selbst hat sich durch das Internet verändert. Zunächst hat sie sämtliche eventuell noch verbleibende Unschuld und Scheu verloren, die sie einmal gehabt haben mag. Wie jeder andere Teil der Unterhaltungsindustrie befindet sich Pornografie heute im Wettbewerb mit sich selbst und allem anderen. Das bedeutet, dass ein Geschäftsbereich, der ohnehin schon mit den kleinsten gemeinsamen Nennern arbeitet, noch billiger, grenzwertiger und einfallsreicher darin geworden ist, sich selbst zu übertreffen. Die Grenzen zwischen Konsum und Partizipation, ob nun echt oder gestellt, sind noch verschwommener als zuvor.
    Im Netz befindet sich alles, was wir uns nur denken können, in unmittelbarer Reichweite. Zudem sind wir dabei niemals allein. Egal, wie bizarr, ungewöhnlich, eklektisch oder gar illegal die eigenen Vorlieben in der Sexualität und in den meisten anderen Bereichen auch sein mögen – es gibt dort draußen immer andere, die je nach Bedarf Rat, Foren, Verabredungsplattformen und diskrete Sicherheitsprotokolle zur Verfügung stellen. Man muss der Welt nur sagen, was man will; und wenn es auf der Welt jemanden gibt, der es einem gerne geben möchte, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass die Technologie beide zusammenbringt.
    Man denke nur an den Kontaktanzeigenteil der weltweit erfolgreichsten Kleinanzeigen-Webseite Craigslist. Diese Sektion ist mittlerweile in neun Abschnitte untergliedert: platonisch, Frau sucht Frau, Frau sucht Mann, Mann sucht Frau, Mann sucht Mann, Romantik aller Art, gelegentliche Treffs, »verpasste Bekanntschaften« (wenn man jemanden kennenlernen möchte, den man irgendwo gesehen hat) und »Lärmen und Schwärmen« (für Lob und Beschimpfungen).
    Wie diese pragmatischen und umfassenden Kategorien nahelegen, ist praktisch für jedes legale und erdenkliche Bedürfnis gesorgt. Gut sichtbar bietet die Seite Tipps zur persönlichen Sicherheit, Ratschläge, wie man sich vor Schwindel und Betrug schützen kann, und Informationen über Software im Rahmen der elterlichen Aufsicht. Daneben verfolgt Craigslist eine strenge Politik gegen Prostitution und Schwarzhandel.
    Ansonsten aber kann man auf Craigslist tun und lassen, was man will. Man klickt frei nach Gusto eine beliebige Kategorie an und erhält eine chronologische Auflistung von Leuten in der Umgebung, die ihre Bedürfnisse oder Angebote inserieren.
    In meiner Heimatstadt London gibt es an einem durchschnittlichen Tag auf Craigslist etwa 900 neue Einträge in der Kategorie »gelegentliche Treffen«, 200 bei »Mann sucht Mann«, 100 bei »Mann sucht Frau«, 50 bei »Frau sucht Mann« und zwischen 25 und 50 auf den Rest verteilt. Fast alle sind, je nach Sichtweise, erschreckend oder erfrischend offen (»Muss über sehr gutes Einkommen verfügen, sonst antworte ich nicht« oder »Netter Typ für Dienstagmorgen gesucht. Bitte Antwort mit Foto und Ortsangabe in erster E-Mail, sonst keine Antwort«). Bei den allermeisten genügt ein Mausklick oder eine E-Mail, um darauf zu antworten.
    In der Provinz reduzieren sich diese Zahlen auf eine Handvoll Ortsansässiger pro Woche. Der anspruchsvolle Suchende bedarf daher der Dienste einer besser spezialisierten Seite wie AdultFriendFinder, der »weltweit größten Sexcommunity im Netz«. Ein solcher Slogan mag die Glaubwürdigkeit des Wortes »Community« strapazieren, doch könnte das gemeinsame Interesse, um welches es dabei geht, nicht klarer formuliert sein.
    Wie fast alles andere in einem Zeitalter allgegenwärtiger Technologie geht es auch beim digitalen Sex nicht nur ums Zuschauen, sondern um die Suche, die Kontakte und die Feststellung, dass man nicht allein ist – oder vielmehr, dass Alleinsein nicht mehr langweilig sein muss, wenn man einen Internetanschluss hat.
    Es geht also darum, genau das zu bekommen, was man will und wann man will. Sie suchen eine Affäre ohne jede Bindung, ohne das Risiko, die Ehe zu ruinieren und mit garantierter Diskretion? Dann brauchen Sie nur auf einer Plattform wie Illicit Encounters, »der größten Seitensprung-Seite Großbritanniens« einen gleichgesinnten Erwachsenen zu finden. Obendrein gibt es noch Tipps, wie man verhindert, dass das Ganze

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