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Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)

Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)

Titel: Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Engström
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alles, was ich wissen muss”, unterbrach Mårten ihn barsch. “Du hast Mutter und mich noch vor meiner Geburt verlassen, weil du keine Familie wolltest. Sie hat mir alles erzählt. Ich weiß, dass du sie gedrängt hast, mich nicht zu bekommen. Aber darauf wollte sie sich nicht einlassen. Darum bist du gegangen!”
    “Das stimmt so nicht”, widersprach Sören energisch. “Ich wusste nicht einmal, dass sie schwanger war, als ich mich von ihr trennte.” Er verzog kurz das Gesicht und fasste sich an die Brust, hatte sich aber rasch wieder unter Kontrolle. “Es stimmt, ich habe sie verlassen, weil sie zwanghaft immerzu versuchte, alles zu kontrollieren. Aber wenn ich gewusst hätte, dass sie schwanger ist …”
    “Dann willst du mir wahrscheinlich auch erzählen, dass der Zeitpunkt deines plötzlichen Auftauchens völlig zufällig ist, was? Es hat nichts damit zu tun, dass ich Karriere gemacht habe und du gern ein Stück vom Kuchen abhaben würdest?”
    Im Licht der Scheinwerfer sah Sören erschreckend bleich aus, und Mårten bemerkte, dass seine Hände leicht zitterten. Dass sein Vater, der in seiner Vorstellung stets ein harter, kaltherziger Mann gewesen war, Schwäche zeigen könnte, hatte er nicht erwartet. Dennoch fühlte er kein Mitleid.
    “Ich interessiere mich nicht für dein Geld”, erwiderte Sören. “Bis vor etwa einem halben Jahr bin ich zur See gefahren. Auf meinem letzten Schiff habe ich Thorbjörn kennengelernt, und als er in Stockholm von Bord ging, habe ich ihn begleitet, weil …” Er zögerte kurz. “Ich bin krank, Junge. Die Ärzte sagen, mir bleiben vielleicht noch ein paar Monate.”
    Mårten glaubte ihm kein Wort. “Das nehme ich dir nicht ab!”
    “Aber es ist wahr!” Jetzt wirkte Sören richtig verzweifelt. “Im Krankenhaus sah ich zufällig einen Bericht über dich im Fernsehen. Eines der Bilder zeigte dich und deine Mutter. Ich kann es nicht erklären, aber ich wusste sofort, dass du mein Sohn bist. Zeitlich passte es auch. Thorbjörn half mir, aus der Klinik zu kommen, und besorgte uns die Jobs als Bühnenarbeiter. Ich wollte dich unbedingt kennenlernen, bevor ich …” Er verstummte, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Schmerzes. Im nächsten Augenblick brach er zusammen.
    Einen Moment war Mårten wie erstarrt, dann sprang er von der Bühne und ging neben seinem Vater in die Knie.
    “Vater!”, stieß er erschrocken aus – das Wort war ihm wie von selbst über die Lippen gekommen.
    Sören ergriff seine Hand und drückte sie. Sein Atem ging flach und unregelmäßig, und eine Schweißschicht bedeckte die Stirn. “Mårten, ich …” Er brach ab, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. “Es tut mir leid, dass wir keine Zeit hatten, uns besser kennenzulernen, aber … Du sollst wissen, dass ich dich liebe, Junge.”
    Die Intensität der Gefühle, die über ihn hereinbrachen wie eine Flutwelle, schockierte Mårten. Er empfand Angst, Sorge, aber auch eine unbändige Zuneigung für den Mann, der vor ihm auf dem nackten Betonboden lag.
    “Nein, so darfst du nicht reden!” Suchend blickte er sich um, doch es war niemand da, der ihm beistehen konnte. “Hilfe!”, rief er, so laut er konnte, und seine Stimme hallte von den Wänden des Saals als Echo wider. “Jemand muss einen Arzt rufen! Schnell!”
    Schritte näherten sich. Es war Thorbjörn. Er erfasste die Situation sofort und lief los, um den Notarzt zu alarmieren. Doch Mårten spürte, dass es zu spät war. Sören wurde immer schwächer.
    “Vater”, flüsterte er beschwörend. “Du musst durchhalten. Ich flehe dich an!”
    “Spiel für mich.” Sören sprach so leise, dass Mårten ihn kaum hörte.
    “Ich soll – was? Aber doch nicht jetzt, dafür haben wir doch immer noch …”
    “Bitte, Junge, erfüll mir diesen einen Wunsch!”
    Mårten zögerte nur kurz, dann ließ er die Hand seines Vaters los und kletterte auf die Bühne.
    Er hatte gerade zu spielen begonnen, als der Notarzt eintraf. Blind vor Tränen, die er nie vergoss, flogen seine Finger über die Tastatur. Melodien schwangen sich empor in ungeahnte Höhen, der Saal war erfüllt von Musik.
    Er hörte erst auf zu spielen, als Thorbjörn zu ihm auf die Bühne kam. Er musste nichts sagen, Mårten konnte es vom Gesicht des alten Manns ablesen.
    Sein Vater war tot.
    “Seit damals bin ich wie blockiert, sobald ich mich an den Flügel setze”, schloss Mårten seine Geschichte. “Weiß Gott, dass ich es immer wieder versucht habe.

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