Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)
…”
Von hinten legte sie eine Hand auf Mårtens Schulter. “Nicht jetzt”, sagte sie sanft. “Das ist im Augenblick unwichtig.”
Er drehte sich zu ihr um. In seinem Blick lag eine Verzweiflung, die ihr Angst einjagte. “Nein, ich fürchte, das ist es nicht, denn ich habe dich angelogen. Und darum stecken wir beide jetzt in schrecklichen Schwierigkeiten. Es war ein Fehler, aber wer konnte denn ahnen, dass es sich zu einem solchen Bergrutsch entwickeln würde?”
Verwirrt schaute Milla ihn an. “Wie meinst du das? Ich verstehe nicht.”
“Ich habe dir vorgemacht, über dein Angebot nachzudenken. Die Wahrheit ist, dass ich es nicht könnte, selbst wenn ich wollte. Ich werde auf keinen Fall bei der königlichen Hochzeit auftreten, weil …” Er holte tief Luft. “Weil ich überhaupt nicht mehr spielen kann!”
Einen Moment schwieg sie, dann blinzelte sie irritiert. “Wie meinst du das, du kannst nicht mehr spielen? Ich meine, du bist schließlich ein gefeierter Pianist und Komponist! Die Kritiker überschlagen sich fast vor Lob und bezeichnen dich als großes Talent.”
“Das war einmal. Ich habe seit zwei Jahren keine Note mehr zu Papier gebracht, und wenn ich mich an meinen Flügel setze …” Er schloss die Augen und massierte sich die Schläfen. “Es ist wie verhext. Ich kann die Musik noch immer spüren. Sie ist hier, in meinem Kopf, aber ich schaffe es einfach nicht mehr, sie zum Leben zu erwecken.”
Prüfend sah Milla ihn an. “Hat das vielleicht etwas mit dem Mann zu tun, der während deiner letzten Tournee gestorben ist?”
“Sören”, erwiderte er leise.
Der Name weckte in ihr keinerlei Erinnerung. “Wer war dieser Mann, und was hatte er mit dir zu tun?”
Noch einmal holte Mårten tief Luft. “Er war mein Vater”, sagte er dann. “Sören Olander war mein Vater.”
10. KAPITEL
M årten schaute Milla direkt an, und gleichzeitig durch sie hindurch. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Seltsam, aber auch beruhigend.
“Ich wuchs in dem Glauben auf, dass mein Vater uns verlassen hatte, weil er keine Kinder wollte”, begann er. “Meine Mutter liebte mich so inbrünstig, wie sie ihn verabscheute. Und sie lehrte mich, ihn ebenso unbarmherzig zu hassen. Als sie starb, war ich Mitte zwanzig, und ihr einziges Vermächtnis an mich bestand im Hass auf meinen Vater, der uns im Stich gelassen hatte. Ich kam gar nicht auf den Gedanken, dass es womöglich noch eine andere Sicht der Dinge geben könnte. Die Sicht meines Vaters.”
“Was ist passiert?”, fragte Milla. “Wie seid ihr euch begegnet?”
Zu seiner eigenen Überraschung war Mårten jetzt tatsächlich bereit, sich ihr ganz zu öffnen. Es fiel ihm nicht einmal schwer – ganz im Gegenteil. Der Gedanke, die Schuldgefühle und die Trauer, die er schon seit so langer Zeit mit sich herumschleppte, mit jemandem teilen zu können, wirkte ungemein befreiend.
“Vor etwas mehr als zwei Jahren, ich hatte meine Schwedentournee gerade begonnen, stießen zwei neue Bühnenarbeiter – Sören und Thorbjörn – zum Team. Ich weiß nicht warum, aber die beiden waren mir sofort sympathisch. Besonders zu Sören fühlte ich mich auf eine unerklärliche Weise hingezogen. Es war, als würde ich ihn von irgendwoher kennen. Dabei wusste ich ganz sicher, dass ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Als er sich mir ein paar Wochen später offenbarte, wurde mir klar, woher dieses Gefühl rührte.”
“Er sagte dir, dass er dein Vater ist?”
Mårten nickte. “Ich weiß nicht, warum er ausgerechnet diesen Moment wählte, aber von da an wollte ich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er versuchte immer wieder, mit mir zu sprechen, mir zu erklären, warum er meine Mutter und mich verlassen hatte, doch ich ließ es nicht zu, bis …” Er schluckte. “Bis zu jenem schrecklichen Tag, den ich wohl bis an mein Lebensende nicht vergessen werde.”
Mårten schloss die Augen, und seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit …
“Was bildest du dir eigentlich ein? Dachtest du wirklich, du tauchst nach fast dreißig Jahren wieder auf, und ich schließe dich in die Arme, als wäre nichts geschehen?” Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Mårten auf der Bühne und blickte wütend auf den Mann hinab, den er erst vor ein paar Wochen kennengelernt hatte: seinen Vater.
Sören schüttelte den Kopf. “Das erwarte ich doch gar nicht von dir, Junge. Aber willst du mir nicht wenigstens eine Chance geben, um zu erklären, warum …”
“Ich weiß
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