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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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war Notwehr, der Mann hat mich angegriffen.«
    Peter sah sie finster an. Regis zuckte zusammen und dachte daran, wie er ihr einmal erzählt hatte, ihre Mutter täte seinen Eltern leid, so etwas habe sie nicht verdient. Damals hätte sie ihm um ein Haar den Laufpass gegeben.
    »Wie auch immer, er hat den Mann umgebracht«, sagte er.
    »Hör auf damit, Peter.« Regis spürte, wie ihr das Blut aus Kopf und Gesicht wich; sie dachte an Gregory White, der eine Schädelverletzung gehabt und in einer Blutlache auf dem Felsvorsprung gelegen hatte. »Das weiß ich.«
    »Verdammt, Millie!«, brüllte Peters Vater vom Watt herüber. »Würdet ihr euch netterweise herbemühen, Peter und du? Im Ansaugstutzen steckt Seegras.«
    »Seegras im Ansaugstutzen«, murmelte Regis.
    »Was ist, gehen wir zu ihm und helfen?«
    Regis war wie betäubt. Sie betrachtete die Blumenkästen an den Fenstern und den Garten. Peters Mutter hatte einen Blick für Farben und zahllose Geranien, Petunien, Zinnien und Schmuckkörbchen gepflanzt. Das gelbe Cottage besaß falsche blaue Fensterläden, die zum Wald hin verriegelt waren. An den Fenstern hingen weiße Gardinen, die an den Seiten von bunten Schlaufen gehalten wurden. Insgesamt erinnerte das Cottage an die Schuhschachtel-Häuser, die Regis als Kind gezeichnet hatte.
    »Regis?« Peter nahm ihre Hände. »Du bist nicht wie dein Vater. Das weiß ich. Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch«, murmelte sie; seine Worte waren wie nadelfeine Stiche. Wusste er nicht, dass sie sein
Ebenbild
war? Ihr schwindelte, wenn sie die hübschen Gärten betrachtete und den Mann, den sie heiraten würde. Sie liebten einander, würden sich immer sicher und geborgen fühlen. Die größte Sorge, die sie hatten, war Seegras im Ansaugstutzen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Sie nickte entschlossen. Spähte auf das Wasser hinaus, sah, wie sich die Flut ihren Rückweg bahnte, die Tümpel auf den Felsen und das Sandwatt füllte. Die glänzende weiße Yacht der Drakes wirkte dort draußen unansehnlich, nicht zu vergleichen mit den bunten Holzrümpfen der Boote im Hafen von Kinsale. Sie wirkte künstlich und angriffslustig mit ihren silbernen Rohren und Leitungen, wie ein Kriegsspielzeug, eine Gefahr für das Meer. Aber Regis liebte den Mann, dessen Familie sich damit schmückte, und wusste, dass sie alles tun würde, um zu helfen.
    »Los, komm«, sagte sie und zog ihn an der Hand. »Lass uns versuchen, euer Boot zu retten.«
    Hand in Hand mit ihrem Verlobten ging sie durch den Garten, die Stufen zu den Felsen hinunter, statt ihre Schritte dorthin zu lenken, wo sie lieber gewesen wäre – zu Hause, um zu sehen, was dort vorging, und um zu hören, was die anderen zu dem Brief sagten.

[home]
    2. Kapitel
    D ie Hochzeitspläne machten Fortschritte, und Agnes hatte ihre große Schwester nicht mehr so strahlend gesehen, seit ihr Vater fort war. Seither war nichts mehr wie früher. Früher war die Familie glücklich gewesen. Sie hatten auf dem Campus der Star-of-the-Sea-Akademie gewohnt, dem schönsten Anwesen in ganz Connecticut. Sie waren irische Katholiken, die ihre Religion praktizierten und an das Gute im Menschen glaubten.
    Doch dann hatte sich das Leben grundlegend verändert. Ihr Vater verbüßte eine sechsjährige Haftstrafe im Gefängnis von Portlaoise, weil er einen Mann getötet hatte. Wie konnte das sein – ihr liebevoller, sanfter Vater? Sie konnte es nicht ertragen, daran zu denken, was er getan hatte; sie konnte nicht glauben, dass er die Hand gegen jemanden erhoben und Gewalt angewendet hatte, selbst wenn es darum ging, Regis zu verteidigen.
    Niemand redete darüber. Regis konnte sich an nichts mehr erinnern, von der Minute an, als sie in den Regen hinausgerannt war, in den undurchdringlichen, salzhaltigen Nebel, der alles verborgen hatte. Nur drei Menschen hatten sich auf der Klippe aufgehalten – ihr Vater, Regis und Gregory White. In den irischen Zeitungen hieß es, Greg White sei ein Herumtreiber aus Connemara gewesen, vorbestraft wegen Diebstahls und verschiedener Gewaltdelikte. Er habe ihren Vater, einen erfolgreichen Künstler, als mögliche Geldquelle ins Visier genommen.
    Agnes hatte sich heimlich in die Bibliothek der Akademie geschlichen, in der ihre Tante irische Tageszeitungen aufbewahrte. Die irische Nation war gespalten, was die Frage der Schuld und der Strafe anging. Manche erklärten, der Urteilsspruch, der auf Totschlag lautete, sei eine Schande – John Sullivan habe in Notwehr

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