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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ich sterbe vor Langeweile.«
    »Langeweile, weil du nicht mehr die ganze Nacht auf der Mauer herumturnen kannst?«
    Agnes versuchte zu lächeln. Etwas an dem Bild, das ihre Mutter malte, hatte sie bis ins Mark erschüttert. Vor allem die Augen ihres Vaters, in denen sich unermessliche Angst, Kummer und Tragik spiegelten. Diese Augen sagten alles über ihre Familie.
    »Mom würde dir vermutlich bis ans Lebensende Hausarrest aufbrummen, falls du noch einmal auf die Idee kommst, auf die Mauer zu klettern.«
    »Weil ich mich verletzt habe …«
    »Nein! Weil sie unserem Vater aus dem Weg gehen will! Ist dir das noch nicht aufgefallen? Warum führt sie sich bloß so auf?«
    In diesem Moment bog Peters Jeep mit quietschenden Reifen um die Ecke. Agnes und Cece sahen, wie Regis sich zu ihm beugte, um ihm einen Abschiedskuss zu geben, dann stieg sie aus. Der Wagen brauste davon, wirbelte mit seinen Reifen eine kleine Staubwolke auf.
    »Hallo.« Regis kam die Treppe herauf. »Wie geht’s meinen Mädchen?«
    »Wohin fährt Peter?«, erkundigte sich Cece missmutig und ignorierte die Frage.
    »Zum Angeln, mit der Clique aus Hubbard’s Point.«
    »Was ist mir dir?«
    »Ich habe keine Lust …«
    »Warum siehst du dann so vergnügt aus?«, fragte Agnes misstrauisch, weil Regis es nie lustig fand, wenn Peter sie alleine ließ; doch ihre Schwester strahlte auf eine neue Art, die völlig ungewohnt und am Morgen noch nicht vorhanden gewesen war.
    »Ich erzähle es euch gleich, aber ihr zuerst. Warum seht ihr beide so
missmutig
aus?«
    »Warum lässt uns Mom nicht zu Dad?«, fragte Cece. »Das ist doch verrückt. Er ist mein Vater, ich liebe ihn, und ich möchte ihn unbedingt sehen.«
    »Sie ist da drinnen.« Agnes deutete auf das Atelier. »Malt ein Unwetter.«
    »Tatsächlich? Sie hat schon lange nicht mehr am Abend gemalt.«
    »Ich weiß! Und du solltest erst das Bild sehen«, meinte Agnes. »Ich finde, es ist das Beste, das sie bisher gemalt hat, und es stellt
ihn
dar. Wie er mich über den Strand trägt. Aber der
wahre
Mittelpunkt ist Dad.«
    »Ein Bild von Dad?« Regis sah auf das hell erleuchtete Atelier; gelbliches Licht fiel auf die Büsche und das Gras.
    »Ja«, bestätigte Agnes.
    »Apropos Dad, ich habe ihn heute Abend gesehen«, eröffnete Regis ihnen mit glänzenden Augen.
    »Erzähl!« Cece hüpfte auf die Knie.
    »Es war toll. Er kam mit Tom ins Paradise …«
    »Um dich zu sehen!«, sagte Agnes.
    Regis nickte. »Er möchte euch beide natürlich auch sehen. Er brennt darauf, nach Hause zu kommen, das merkt man sofort. Er hält nur Abstand, weil er versucht, es Mom recht zu machen, aber … das ist völliger Quatsch! Was man auf den ersten Blick sieht, vor allem, wenn sie ihn malt. Wir müssen sie davon überzeugen …«
    Plötzlich kamen Scheinwerfer um die Ecke, unten neben der Steinmauer und Ligusterhecke, und ein Wagen kam in Sicht. Cece stockte der Atem, und Regis lachte schallend. Es war ein uraltes Auto – ein Volvo oder Volkswagen, jedenfalls irgendein Vehikel, das überall rund war –, und jede Handbreit der Oberfläche war mit kleinen Figuren in unzähligen bunten Farben bemalt.
    »Wer ist denn das?«, staunte Cece.
    »Der Erzengel«, erwiderte Regis lächelnd.
    »Brendan«, sagte Agnes, als der Fahrer ausstieg.
    Seine feuerroten Haare schimmerten im Licht der Veranda. Er lächelte den Mädchen zu, hatte aber nur Augen für Agnes. Sie spürte, wie sie errötete, als er näher trat, doch sie wandte den Blick nicht ab.
    »Hallo«, begrüßte sie ihn.
    »Hallo Agnes.«
    »Hallo Brendan«, meinte Regis. »Was hat dich denn hierher verschlagen?«
    »Ich wollte sehen, wie es Agnes geht.«
    »Du kommst gerade recht. Cece und ich wollten ins Haus gehen.«
    »Nein, wollten wir nicht! Wir haben über Dad gesprochen und –«
    »Komm, Cece.« Regis legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wir spielen eine Partie Schach; mal sehen, wer besser ist.«
    »Du gewinnst immer. Das macht keinen Spaß.«
    »Keine Widerrede; ich bin die Älteste und habe das Sagen. Und außerdem, wenn du bei meiner Hochzeit Brautjungfer sein willst, musst du gehorchen.«
    »Du bist gemein, das kenne ich gar nicht von dir!«, maulte Cece, aber sie folgte Regis ins Haus.
    Als ihre Schwestern gegangen waren, strich Agnes ihren Kopfverband glatt. Hoffentlich sah sie einigermaßen aus. Einerseits hätte sie Regis am liebsten erwürgt, weil diese sie mit dem Jungen vom Krankenhaus alleine gelassen hatte, doch andererseits war sie ihr dafür

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