Wie Sommerregen in der Wueste
Kira war nach der Aufregung müde. „Du kannst im Auto schlafen, und wenn wir angekommen sind, bist du wieder fit und kannst dir die alte Stadt anschauen.“
„Gut, Mama.“
Kira vertraute ihr vollkommen. In ihrer Unschuld nahm sie Celia als Beschützerin wahr, die alles Unheil von ihr abwenden würde. Mama tat immer das Richtige.
Celia atmete tief durch und fragte sich, wie lange sie in der Rolle der perfekten Mutter noch überzeugen konnte. Irgendwann würde Kira Fragen stellen und eigene Schlüsse ziehen …
„Ich liebe dich, mein Kleines“, flüsterte sie und küsste Kira zärtlich auf den dunklen Haarschopf.
Nachdem sie sich bei den Kindergärtnerinnen bedankt hatte, verließ sie die so achtsam und schön eingerichteten Räumlichkeiten nicht ohne Wehmut. Es wäre so schön für Kira gewesen, hier täglich mit anderen Kindern spielen zu können.
Wenn Salim bloß nicht diesen unsinnigen Vorschlag gemacht hätte!
Sie fuhr im Lift zu ihrer Suite und packte. Viel war es ja nicht, was sie verstauen musste, aber zu ihrem Gepäck kam auch noch das von Kira.
Einigermaßen beladen nahm sie danach trotzdem die Treppe nach unten, weil sie sich den neugierigen Blicken des Hotelpersonals nicht aussetzen wollte. Zuerst protestierte Kira und wollte an den Strand, doch etwas im Tonfall ihrer Mutter schien ihr klarzumachen, dass hier keine Widerrede erlaubt war. Mit gesenktem Kopf lief sie neben Celia zum palmengesäumten Parkplatz, wo der gemietete Mercedes stand. Nachdem Celia das Gepäck verstaut hatte, setzte sie Kira auf den Kindersitz, den die Mietwagenfirma zur Verfügung gestellt hatte.
„Wenn du noch ein bisschen wach bleibst, kannst du die Nebelberge sehen“, sagte sie zu ihrer Tochter.
„Gut, Mama“, wiederholte Kira ungewohnt folgsam.
Wo war der kleine Rabauke geblieben, der sich sonst immer mit Händen und Füßen gegen den Kindersitz wehrte? Kira machte den Eindruck, als wären die aufregenden Ereignisse der letzten Tage nicht ganz spurlos an ihr vorübergegangen. Das Gleiche konnte man auch von Celia sagen.
Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle gewesen. Zu viele Hoffnungen und naive Träume.
Sie ließ den Motor an und fuhr vom Hotelparkplatz auf die Hauptstraße. Wie sehr sie die weißen, würfelförmigen Häuser von Salala vermissen würde. Das strahlend blaue Meer, die schlanken Palmen, die freundlichen Menschen …
Und sie würde Salim vermissen.
Aber hatte sie sich nicht die meiste Zeit ihres Erwachsenenlebens nach ihm gesehnt? Mittlerweile hätte sie doch daran gewöhnt sein müssen.
Und trotzdem blieb die unerfüllte Sehnsucht, das Verlangen nach etwas, das sie nie bekommen würde.
Salim und sie waren einfach nicht füreinander bestimmt. Der Graben, der sie trennte, war so breit und freudlos wie die Wüste Rub al-Khali. Früher einmal hatten mutige und hoffnungsvolle Händler die Wüste in Karawanen durchquert und waren am Ende ihrer langen Reise in die verlorene Stadt gelangt. Nun trauten sich nicht einmal mehr Beduinen in die windige, hitzeversengte Einöde.
Die Zeiten änderten sich, und es gab kein Zurück.
Wie immer genoss Celia die Fahrt durch die üppig begrünten Nebelberge. Sie waren so lieblich, so fruchtbar und hatten gleichzeitig etwas Melancholisches. Mittlerweile war ihr die Passstraße vertraut.
Als sie den Gipfel überwunden hatten, erstreckte sich vor ihnen die Wüste in ihrer mysteriösen Ruhe und ihrer herben Schönheit.
Die einst verlorene, nun wieder erstandene Stadt erhob sich majestätisch in der Mittagshitze. Es war so heiß, dass die Luft über dem Asphalt der Straße flimmerte. Weiße Mauern umgaben die neue, grüne Oase, die nun bereit war für Besucher aus aller Welt. Celias Vision eines Ortes, an dem sich wie einst Menschen aller Kulturen auf den Straßen begegneten, würde bald schon Wirklichkeit werden.
Als sie Faisal entdeckte, der dabei war, Mulch in einer neuen Pflanzung von Dattelpalmen zu verteilen, hielt sie und ließ die Fensterscheibe herunter. „Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich, Faisal? Ich muss noch ein paar letzte Details mit Ihnen besprechen. Es sieht nämlich so aus, dass ich abreise. Umgehend.“ Sie schluckte.
Der Vorarbeiter runzelte die Stirn, nickte aber dann.
Sie parkte und ging zunächst in ihr behelfsmäßiges Büro, das schon bald in ein luxuriöses Apartment verwandelt werden würde. Dort schrieb sie Anweisungen zur Pflege und Bewässerung der Grünanlagen auf. Denn Pflanzen überlebten unter den harten
Weitere Kostenlose Bücher