Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
ihr durch eindringliche Blicke klarzumachen, dass sie nichts mehr sagen sollte, aber sie missverstand meinen Gesichtsausdruck.
»Grace!«, sagte sie und drückte meine Schultern. »Nicht weinen!«
Ich schüttelte ihren Arm ab. »Ich weine nicht!«
»Jetzt wird alles gut, oder?«, sagte meine Mutter und sah Ty an. Wie gerne hätte ich ihm erklärt, dass sie sogar dann leicht bedrohlich klang, wenn sie im Diner einen Vanilleshake bestellte.
Er zog einen Mundwinkel hoch, war aber weit von der echten Herzlichkeit entfernt, die er einen Moment zuvor gezeigt hatte. »Sicher«, sagte er trocken und nahm die meisten Einzelteile des Bettes in die Hand.
In der Zeit, die ich brauchte, mich die Treppen einmal hinaufzuschleppen, hatten die beiden alle Bettteile hochgetragen und gegen die Wand in meinem Zimmer gelehnt.
Julia hatte außerdem eine große Kiste mit Babysachen mitgebracht, die Ty hinauftrug und in der sich unter anderem eine Badewanne und ein halbmondförmiges Kissen aus himmelblauem Stoff mit weißen Schäfchenwolken befanden. Julia bezeichnete es als Stillwurst und erklärte, es sei nicht nur praktisch, um das Baby beim Stillen darauf zu lagern, sondern man könne es später auch damit unterstützen, wenn es sitzen lernte. Ich warf Ty einen Seitenblick zu. Er betrachtete die Stillwurst und mich. Ich fragte mich, ob ihm das alles genauso bizarr und irreal erschien wie mir.
Anschließend saßen wir ein paar unbehagliche Minuten lang im Wohnzimmer zusammen und machten höflich Konversation. Julia fragte Ty nach seiner Karriere, und ich erfuhr, dass er kurz davor stand, ein neues Album aufzunehmen. Sie erkundigte sich nach seiner Familie und wie sie auf das Baby reagierte. Er antwortete völlig emotionslos, alle seien »sehr aufgeregt«. Dann stand er auf, schüttelte Julia noch einmal die Hand und entschuldigte sich, weil er zu einem Meeting müsse.
Wir hörten, wie sich seine Schritte im Treppenhaus entfernten.
Ich sah Julia an. »Du wusstest, dass er vorübergehend hier wohnt, oder?«
»Ähm, ja.« Sie wirkte verlegen und konnte mir nicht in die Augen sehen. »Peg hat es mir erzählt.«
»Du hast mit Peg geredet?«
»Ja, wir haben ein, zwei Mal miteinander telefoniert.«
»Und, was machen die Farbdämpfe?«, fragte ich.
»Was? Ach ja! Es ist schon besser geworden, stinkt aber immer noch ziemlich stark.«
Der Vater
Nach dem Mittagessen ging ich von der Arbeit aus zu meiner alle zwei Wochen stattfindenden Untersuchung bei Dr. Goldstein. Als ich den Aufzug in ihrer Etage verließ, begegnete ich zwei Frauen, die ich aus der Praxis kannte, der jungen Krankenschwester und der Arzthelferin, die meine Zuzahlungen entgegennahm und mit der ich die Termine vereinbarte. Sie flüsterten aufgeregt miteinander, schwiegen aber sofort, als sie mich sahen. Dann flüchteten sie den Flur hinunter und betraten die Praxis durch eine Hintertür.
Ich öffnete die Glastüren des Wartebereichs und meldete mich am Empfang.
»Hallo, Miss Barnum!«, begrüßte mich die Arzthelferin besonders freundlich, als ich das Formular auf dem Klemmbrett unterschrieb. Dann verkündete sie mir augenzwinkernd: »Da wartet schon jemand auf Sie.«
Ich folgte ihrem Zeigefinger. In einer Ecke lümmelte sich Ty in einem Sessel, einen Stiefel auf dem Knie, in die kostenlose Broschüre Fit durch die Schwangerschaft vertieft.
Ich ging hinüber und setzte mich neben ihn. »Woher wusstest du, dass ich heute einen Termin habe?«
Er hob kaum den Blick. »Du hast ihn auf dem Kalender am Kühlschrank eingetragen.«
Ich warf einen flüchtigen Blick auf den Artikel, den er las. Er trug die Überschrift: »Essen Sie nicht für zwei! Gesunde Ernährung für Sie und Ihr Baby«.
Ich blickte ihn forschend an. Warum las er das? Genauso gut hätte er über die Schwierigkeiten lesen können, einen passenden Schwangerschafts-BH zu finden oder die beste Brustwarzencreme. Oder was man gegen Hämorrhoiden unternehmen konnte. Wollte er, dass ich ihn das lesen sah? Was wollte er mir damit sagen? Dass ich zu dick war?
Er sah mich an. »Was ist?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nichts.«
Ich setzte mich auf den Stuhl im Behandlungszimmer. Ty lehnte sich gegen die Untersuchungsliege und las weiter in der Broschüre. Mein Gott, was für ein Anblick! Abgetragene Cowboystiefel. Tief hängende Jeans. Enges schwarzes T-Shirt. Baseballkappe. Kaugummi.
Mich ignorierend, für den Rest unseres Lebens.
Dr. Goldstein trat ein. Ty rollte die Broschüre zusammen und
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