Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
ausgefallen. Ich schwitzte wie in der Sauna und betete, dass wir nicht auch noch wegen eines Stromausfalls in brütend heiße Dunkelheit getaucht werden würden.
Auf dem Weg durch die nach Urindämpfen stinkende U-Bahn-Station an der 86th Street hielt ich die Luft an, bis ich die Treppe hinauf war und den Ausgang erreichte, wo ich tief die erfrischenden Abgase einatmete. Unterwegs sprang ich noch schnell in die Konditorei gegenüber und kaufte eine Erdbeereis-Pie.
Vorsichtig betrat ich meine Wohnung. Ich klopfte erst an, bevor ich den Kopf hineinsteckte. »Hallo?«
Es war still und heiß. Ty musste schon vor Stunden gegangen sein. Wie lange er wohl geschlafen hatte? Was hatte er den ganzen Vormittag über angestellt, während er hier alleine war? Wahrscheinlich den Kühlschrank geplündert.
Besorgt fragte ich mich, ob er in meinen Medizinschrank geschaut hatte. Bloß nicht! Oder in mein Nachtschränkchen? Hilfe! In meine Unterwäsche-Schublade? O nein! Die musste ich wirklich dringend ausmisten. Ach, sollte mir doch egal sein. Sollte er doch ruhig mein Diaphragma, die Gleitcreme und meine schäbigen alten BHs entdecken.
Ich stellte die Pie ins Tiefkühlfach, drehte die Klimaanlage am Wohnzimmerfenster auf, stellte mich davor und ließ meine feuchte Haut von der eisigen Luft gefriertrocknen; ging ins Schlafzimmer und schaltete dort auch die Klimaanlage an; schenkte mir ein großes Glas Eistee ein, nahm eine kühle Dusche; zog Shorts und ein T-Shirt an und machte zum Putenhackbraten von gestern einen Salat; setzte mich vor den Fernseher, schaute Jeopardy ; gönnte mir mein leckeres Abendessen und danach ein großzügiges Stück sahnige, rosig weiße Pie.
Anschließend ging ich ins Schlafzimmer und breitete meine Unterlagen auf dem Bett aus. Wir arbeiteten gerade an einer Enzyklopädie über die Renaissance. Zu meinen Aufgaben gehörte es, fast alle kürzeren Artikel über wichtige Erfindungen in jener Epoche zu schreiben. Der erste Artikel handelte von Tapeten, und ich musste ihn heute Abend fertig stellen, weil ich den ganzen Tag abgelenkt gewesen war und ineffektiv gearbeitet hatte. Ich stapelte sämtliche Kissen zu einem gemütlichen Nest auf, arrangierte alle Materialien in Griffweite und öffnete meinen Laptop. Da ich Arbeit gerne vor mir herschiebe, schaltete ich daraufhin den Fernseher ein. Die Halbacht-Wiederholung von King of Queens lief noch eine Viertelstunde. Meine Mutter hätte eine Gänsehaut bekommen. Queens, brr. Was soll daran lustig sein?
Ich hörte den Schlüssel im Schloss. Die Wohnungstür ging auf und zu.
Ty erschien in der Schlafzimmertür. »Hey.«
»Hi.« Ich stellte den Fernseher leiser.
Durch die Luftfeuchtigkeit draußen lockten sich seine Haare, und er trug weite, sandfarbene Bermudashorts, Flipflops und ein abgewetztes, altes blaues Hemd mit abgeschnittenen Ärmeln. Irgendeine Zinnrune hing an einem Lederriemen um seinen Hals. Er trug eine Kuriertasche und seine Gitarre auf dem Rücken.
»Verdammt, ist das eine Affenhitze da draußen!«
»Ja, schrecklich, ich weiß.«
Er nahm die Tasche und die Gitarre ab und stellte sie an die Schlafzimmerwand.
Im Fernsehen lief Werbung für das New Yorker Lotto. »Was guckst du?«
» King of Queens. Ist fast vorbei. Danach muss ich arbeiten.«
»Okay.« Er steckte die Hände in die Taschen.
Jetzt mach dich doch mal locker, Grace! Sei ein bisschen gastfreundlich! »Ist eine gute Folge«, sagte ich. »Echt lustig!«
»Ach, ja?« Sein Gesicht hellte sich auf. Er setzte sich ans Bettende. Er roch gut, eine Mischung aus frischem Schweiß und einem Eau de Toilette mit Zitrusnote.
»Doug schießt sich versehentlich mit einem Tacker in den Hoden.«
Ty lächelte nicht.
»Nein, wirklich, es ist lustig! Da, es geht weiter.«
Er fläzte sich auf das Fußende des Bettes. Es war nett, ihn kichern zu hören, als Doug der Schwester in der Ambulanz seine schmerzliche und peinliche Situation zu erklären versucht und ihr schließlich die verletzte Stelle aufmalt.
Während der nächsten Werbepause erzählte mir Ty, dass er den Tag mit Bogue verbracht hatte, der ihm geholfen hatte, seine Sachen in die neue Wohnung zu transportieren. Sie hatten alles zunächst im Wohnzimmer aufgestapelt, bis er morgen endgültig sein neues Zimmer beziehen konnte.
»Hast du Hunger?«, fragte ich.
»Ja.«
Wir gingen in die Küche, und ich holte einen Teller und ein Glas aus dem Schrank. Ich schenkte ihm Tee ein und zeigte ihm Hackbraten, Salat und Pie im Kühlschrank.
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