Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
vermutlich, dass sie die Natur als etwas betrachtet, mit dem wir in Harmonie sein
könnten,
etwas, das uns bestimmte Lebensweisen im Gegensatz zu anderen abverlangt. Dieses Bild erkennen wir nun als »metaphysisch« im schlechten Sinn. In der modernen Standardversion ist die Natur einfach da: faktisch, hart, nach menschlichem Verständnis undurchdringlich. Natur ist nichts, mit dem wir in Harmonie sein können (oder eben nicht sein können). Sich um die Natur zu sorgen, kann nur bedeuten, dass wir sie in unserem langfristigen Interesse bewirtschaften oder sie ansonsten ihrem seltsamen Gang überlassen. Ersteres ist der Standpunkt der seichten, Letzteres der Standpunkt der tiefen Ökologie.
Aber es bleibt die Tatsache, dass die meisten Menschen – selbst jene, die durch die positivistische Mühle gegangen sind, wenn sie sich gerade nicht von ihrer orthodoxen Seite zeigen –
sehr wohl
unterscheiden, welche Aktivitäten »in Harmonie« mit der Natur sind und welche nicht. Sie finden die Gärten von Versailles künstlich im Vergleich zu denen von Stowe, obwohl sie wissen, dass beide Produkte menschlicher Kunst sind.Massentierhaltung stößt sie ab, obwohl sie wissen, dass zu jeder Form der Tierhaltung eine bewusste Veränderung der Lebensweise gehört. Der gesunde Menschenverstand, der maßgebliche Schiedsrichter in allen praktischen Dingen, sagt uns, dass manche Aktivitäten »mit« der Natur stattfinden und andere »gegen« sie. Wir brauchen mehr als eine philosophische Theorie, um uns vom Gegenteil zu überzeugen.
Wie könnte ein entsprechend modifiziertes Modell des Umweltschutzes – »Umweltschutz für ein gutes Leben«, wie wir es nennen – in der Praxis aussehen? Jedenfalls wäre es sehr verschieden von dem gegenwärtigen Umweltschutz, ob in der tiefen oder seichten Version. Es würde eine »grüne« Lebensweise nicht nur um der Natur oder künftiger Generationen willen propagieren, sondern
für uns.
Es würde uns ermuntern, für unser Wohlergehen Wissen über lokale Pflanzen und Tiere zu erwerben, lokal produzierte Nahrungsmittel zu essen und wenn möglich an der Produktion teilzunehmen durch Fischen, Gartenbau und andere Betätigungen. Viele Umweltschützer folgen bereits solchen Erwägungen über ein »gutes Leben«, obwohl die meisten es nicht gern zugeben würden. (Wie viele Engländer, die einen Kleingarten besitzen, würden es ausdrücken wie die russische Dame, die einmal zu uns sagte, Gemüse anzubauen sei »gut für die Seele«?) Andere Umweltschützer sind konsequenter in ihrer Geringschätzung menschlicher Interessen. James Lovelock beispielsweise plädiert dafür, die Landwirtschaft komplett aufzugeben zugunsten künstlich synthetisierter Nahrungsmittel – was immer der Nutzen für Gaia sein könnte,
unsere
Lebensfreude würde das gewiss nicht steigern.[ 37 ]
Zweitens hat Umweltschutz für ein gutes Leben keine Verwendung für die Voreingenommenheit von Romantikern gegen Landwirtschaft und Gartenbau. Im Gegenteil, er respektiert beides als Versuche, Mensch und Natur besser in Einklang zu bringen. Dieses Modell teilt das Naturgefühl, wie es Vergil klassisch formuliert hat, der in seinen Versen das Pfropfen und Züchten preist und die Landwirte drängt, »die wilden Früchte durch Kultur zu zähmen, damit die Erde nicht müßig daliegt«. Das soll nicht heißen, dass Landwirtschaft immer harmlos ist. Käfighaltungund Monokulturen sind abscheulich. Aber sie sollten als Perversionen normalerweise vernünftiger Praktiken betrachtet werden und nicht als Ausdruck einer Verdorbenheit, die zur Landwirtschaft dazugehört. Die Ansicht des Ökologen J. Baird Callicott, »eine Herde Rinder, Schafe oder Schweine verschandelt die Landschaft genauso wie eine Flotte Vierradfahrzeuge«, stimmt einfach nicht.[ 38 ]
Hat der Umweltschutz für ein gutes Leben Platz für »Unkraut und Wildnis«, die Hopkins und andere Romantiker so liebten? Wohl schon. Aber wir legen fest, wo Platz dafür ist, je nachdem, wie es gut für uns ist, und nicht, wie es gut für die Natur an sich ist, was immer das heißen mag. Das Bild des Menschen, wie er die Erde in einen großen Garten verwandelt, das den viktorianischen Fortschrittsdenker Herbert Spencer so sehr bewegte, erfüllt uns Heutige mit Klaustrophobie. Wir neigen eher Spencers romantischem Zeitgenossen John Stuart Mill zu, der dafür plädierte, die Wildnis zu bewahren, denn »es tut dem Menschen nicht gut, wenn er notgedrungen immerfort in Gegenwart seines Gleichen
Weitere Kostenlose Bücher