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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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Dieses befestige ich am Schnurende einer Beuteangel für Hunde. Ich lasse seine Leine fallen und ziehe kurz vor seiner Schnauze das Hasenfell vom Boden ab. Als Lord mit seinem Blick darauf anspringt, halte ich wieder in der Bewegung inne. Ein Beutetier würde auch zuerst bei Gefahr erstarren, ehe es sich leise zu entfernen oder zu verstecken sucht. Weil Lord auf das Fell blickt, aber nichts tut, imitiere ich mit ihm ein paar vorsichtige kleine Hüpfer der Entfernung. Jetzt reagieren die Gene des Vorstehhundes sofort. Er springt hinter dem Fell her, das ich nun schneller bewege, um eine Flucht »des Hasen« zu simulieren. Immer wenn er dicht herankommt, lasse ich den »Hasen« ein paar Haken schlagen.
    Lords Rasse, der Deutsch-Kurzhaar, ist besonders bei Jägern beliebt, da diese entdecktes Wild durch Vorstehen anzeigt, ohne einen Laut von sich zu geben, und dabei in ihrer Bewegung verharrt. Meist hebt ein Vorstehhund dabei einen Vorderlauf an. Vorstehhunde sind nicht dafür vorgesehen, das Wild aufzuscheuchen oder zu verfolgen, sie sind allein auf die spezielle Fähigkeit abgerichtet, es anzuzeigen. Dass Lord noch keine Erfahrung darin hat, zeigt sein ungestümes Verhalten. Er verfolgt das Hasenfell mit stürmischer Begeisterung und versucht, immer wieder hineinzubeißen. Ich warte ab, bis er mir in einer Kreisbewegung entgegenkommt, halte das Fell an und stoppe ihn mit meinem Körper von vorn. »Sssst.«
    Im Schwung der Begeisterung versucht er, an mir vorbeizuspringen. Ich bringe mich wieder vor ihn und stampfe mit dem Fuß auf, so dass er mich ansieht und stehen bleibt.
    Ganz vorsichtig bewege ich das Hasenfell. Er will nach vorn springen. Ich bremse ihn mit einem tiefen Laut ab. »Hoooooooo.« Er hält inne. Mit einer Handbewegung lade ich ihn ein, näher zu mir zu kommen, und lasse dabei das Hasenfell auf der Stelle neben mir tanzen. »Hoooo«, bremse ich sein Tempo aus, wenn er zu schnell wird. Bleibt er stehen, winke ich ihn weiter heran. Lord verfolgt bald mit den Augen abwechselnd das Hasenfell und meine Körpersprache. »Guter Junge«, sage ich anerkennend mit absolut ruhiger Stimme, um ihn nicht zu sehr in Schwung zu versetzen. Als er kurz vor dem Fell angelangt ist, halte ich ihn mit einem sanften, langgezogenen »Schhhh« an. Er stoppt, und sein rechter Vorderlauf geht wie von Zauberhand nach oben.
    Ich belohne ihn für diese Bilderbuch-Vorstehhaltung mit einer neuen Runde und begeisterten Zurufen meinerseits. »Was für ein toller Junge. Großartig.« Da sein Tempo jetzt wieder schnell sein darf, kann ich auch mehr Energie in meine Stimme legen. Lord jagt dem Fell hinterher und seine bisher so steifen Bewegungen werden immer fließender und kraftvoller. Als ich nun das Fell stoppe, unterstütze ich sein Innehalten mit einem sanften »Schhhhh«. Er schleicht in langsamem Tempo der Beute hinterher. »Seeehr guut«, lobe ich ihn mit tiefen Tönen. Ich lasse es darauf ankommen und unterstütze ihn nicht, als er das Hasenfell erreicht. Tatsächlich versucht er nun bereits nicht mehr, in die Beute zu beißen, sondern stoppt vor ihr wie in Zeitlupe, hebt den rechten Vorderlauf und verharrt.
    Ich habe schon einige Vorstehhunde im Training gehabt, die nicht vorstanden, sondern in die Beute bissen, und ich muss zugeben, Lord macht das großartig. Ich spiele mit ihm mehrere Runden dieser Art und erlebe ihn völlig anders als zuvor. Er ist ein sehr feiner, sensibler Hund, der winzige Signale aufnimmt und darauf reagiert. Es spricht eine Begeisterung aus ihm, die dem vorher so übellaunig wirkenden General nicht zuzutrauen war.
    »Ein Naturtalent«, rufe ich begeistert und blicke Farina an, die dem Geschehen konzentriert folgt.
    Ich lege die Beuteangel zur Seite und trete mit einer kleinen Bewegung auf den Hund zu. Ein leises, kaum hörbares »Sss« reicht aus, um ihm zu bedeuten, dass er an dieser Stelle bleiben soll und nun von jeder Aufgabe entbunden ist. Er überprüft noch einmal durch Verlassen des Platzes, was ich als Konsequenz folgen lassen würde, und legt sich sofort hin, als ich ihm ruhig und bestimmt entgegentrete. Dann beobachtet er, wie ich umherschlendere, und legt den Kopf ab, weil er zu begreifen scheint, dass das Ganze länger dauern kann. Nach wenigen Minuten rollt er sich tief durchatmend auf die Seite und schließt die Augen. Seine Gesichtszüge entspannen sich. Der General sieht nun aus wie ein zufriedener, vierjähriger Hund.
    Es ist ein schönes Gefühl, an einer solchen Veränderung

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