Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
nur, wenn Michael Silas nicht wie einen Staatsfeind bewachen ließ.
Sie erreichte die großzügige Kiesfläche vor dem Haupthaus, wendete den Mercedes und parkte ihn so, dass seine Motorhaube in Richtung Auffahrt zeigte. So konnte sie im Notfall losfahren, ohne noch lange herumkurven zu müssen.
Als sie aus dem CLK stieg, schlotterten ihre Knie so stark, dass sie sich an der Autotür festhalten musste. Constanze presste kurz die Augen zu und wiederholte noch einmal das Mantra. Es würde alles gut gehen. Sie hatte schon weitaus Schlimmeres überstanden. Es wollte ihr im Moment zwar nichts einfallen, aber davon durfte sie sich jetzt nicht beirren lassen.
Mit purer Willenskraft ließ sie die Tür los, warf sie zu und ging gemessenen Schrittes über den Hof. Niemand war zu sehen, als sie kurz darauf durch die Torbogen der Stallungen stöckelte und das Innere des Gebäudes betrat.
Drinnen herrschte milchig trübe Dämmerung.
Constanzes Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, trotzdem ging sie zielbewusst weiter. Schon seltsam, wie gut sie sich an die Beschaffenheit der Räume erinnern konnte. Sie hatte sich früher einmal in diesem Gebäude vor Michaels Wutanfall versteckt. Ohne Erfolg. Hastig verdrängte sie die grausigen Erinnerungen und steuerte die massive Steintreppe an, von der sie wusste, dass sie nach unten zu den Kellerräumen führte. Geräuschlos schlüpfte sie aus ihren Schuhen. Als ihre Füße den kalten Steinboden berührten, biss sie sich auf die Unterlippe. Es gab sicher Angenehmeres, als im Winter barfuß herumzuspazieren, aber sie wollte keinesfalls ein Risiko eingehen. Es fehlte gerade noch, dass sie mit den dünnen Bleistiftabsätzen auf den unebenen Stufen das Gleichgewicht verlor und die Treppe hinabstürzte. Das hätte ein wahrhaft unrühmliches Ende ihrer Rettungsaktion bedeutet.
Bibbernd huschte sie die Stufen hinab. Sie hatte Glück, niemand kam ihr entgegen. Auf der Treppe nicht und auch nicht auf dem Gang, der zu dem Lagerraum führte, in dem sie Silas vermutete. Etwas überrascht hängte sie sich die Handtasche mit der Waffe über die Schulter und zog die Schuhe wieder an. Langsam ging sie weiter.
Kurz darauf erreichte sie eine verschlossene Stahltür. Sie drückte lauschend das Ohr dagegen, konnte aber nichts hören. Nach kurzem Zögern klopfte sie, erreichte jedoch keinerlei Reaktion. Sie hielt den Atem an und versuchte es erneut. Immer noch nichts. Sie klopfte noch einmal, diesmal so laut, wie sie es sich traute. Als aus dem Innern des Raums immer noch kein Geräusch drang, lief ihr ein ungutes Gefühl über den Rücken. Was, wenn Silas ohnmächtig war – oder gar tot?
Schwer schluckend wischte sie die Horrorvision beiseite. So oder so, nichts würde sie aufhalten, diesen Raum zu betreten. Sie fasste nach dem Riegel und schob ihn mit einem kräftigen Ruck zurück. Bis in die Haarspitzen angespannt drückte sie die Tür auf, machte sich innerlich auf einen entsetzlichen Anblick gefasst. Ihr Herz stockte panisch, als sie tatsächlich einen Mann mit dem Gesicht nach unten in der Ecke liegen sah. Sie wollte gerade wie von Sinnen zu ihm rennen, da begriff sie, dass es nicht Silas war. Der Körper am Boden wirkte zu massig, außerdem waren die Haare braun und nicht schwarz. Der Mann musste einer von Michaels Wachleuten sein. Hektisch sah sie sich in dem Gewölbe um. Wo war Silas? Gewissenhaft kontrollierte sie jeden Raum, jede noch so kleine Nische. Sie ließ keinen einzigen Zentimeter aus, und doch entdeckte sie ihn nirgends.
Damit hatte sie zuletzt gerechnet. Silas war nicht hier unten – oder nicht mehr, korrigierte sie sich, als sie im letzten Raum die aufgebrochenen Stahlfesseln an der Wand bemerkte. Auch das wild verstreute Essgeschirr nährte ihren Eindruck, dass es einen kurzen, aber heftigen Kampf gegeben haben musste. Offenbar zugunsten des Magiers, denn der war unbestreitbar fort …
Schwindelnd stützte sie sich auf ein Regal. Silas war geflohen. Eine Mischung aus Erleichterung und Unglaube tobte durch ihr Inneres, während sie die Spuren auf dem Boden genauer betrachtete. Angesichts der kaum versickerten Flüssigkeit neben dem umgefallenen Becher konnte es noch nicht lange her sein. Möglicherweise hatte sie ihn nur um wenige Minuten verpasst.
Keuchend drückte Constanze die Hände gegen die Schläfen. Was sollte sie jetzt tun? Fieberhaft kehrte sie in den ersten Raum zurück. Wenn Silas die Stallungen wirklich erst
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