Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
noch machen werde, ist eine schöne lange Dusche nehmen und danach ins Bett fallen. Ich wäre bestimmt kein unterhaltsamer Gesprächspartner, glaub mir.« Sekundenlang war nichts zu hören und sie hatte den unguten Verdacht, Roland stellte sich gerade vor, wie sie nackt unter der Dusche stand. Ein schrecklicher Gedanke.
»Na gut, war ja nur so eine Idee«, murmelte er. »Wie sieht’s morgen Abend bei dir aus?«
Constanze biss sich auf die Lippen, um nicht frustriert aufzustöhnen. Sie kannte niemanden, den das Wort penetrant besser beschrieb als Roland. »Da bin ich mit Susanne verabredet.«
Da ihm kaum eine andere Wahl blieb, wünschte Roland ihr eine gute Nacht und legte auf. Erleichtert hängte Constanze das Telefon in die Station. Das wäre geschafft. Fürs Erste. Spätestens, wenn er sie auf den Ball ansprach, musste sie die Karten auf den Tisch legen und ihm endlich sagen, dass sie an seiner Gesellschaft kein Interesse hatte. Dafür an der eines anderen …
Plötzlich wünschte sie sich, ihre Vergangenheit einfach vergessen zu können. Diszipliniert straffte sie den Rücken. Sich Wunschträumen hinzugeben brachte rein gar nichts, das hatte ihr die Zeit mit Michael schmerzlich klar gemacht.
Sie ging ins Bad. Ihr Blick blieb am Spiegel hängen. Erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund. Ach du meine Güte, wie sah sie denn aus? Als sie Roland gesagt hatte, sie müsse dringend unter die Dusche, hatte sie das eigentlich nicht so wörtlich gemeint.
*
Silas streifte die Schuhe ab und ging barfuß die Treppe hinauf. Wenn ihm jemand vor wenigen Wochen gesagt hätte, er würde einmal einen netten Familiennachmittag im Park verbringen und dabei noch richtig Spaß haben, hätte er ihn für verrückt erklärt. Aber es war so. Er hatte den Tag genossen. Mehr noch als erwartet. In Gedanken sah er Constanze vor sich, wie sie neben ihm im Gras gelegen hatte. Ihr weicher Körper dicht an seinem, außer Atem, mit zerwühlten Haaren … Die Erregung, die ihn seither begleitete, rauschte mit neuer Hitze durch seine Adern.
Silas schüttelte den Kopf. Er war jetzt zweiunddreißig, alles andere als ein grüner Junge und doch … Lächelnd fischte er eine von Constanzes Haarnadeln aus seiner Hosentasche. Sein Daumen folgte der glatten Kontur der Metallklammer. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal etwas gestohlen hatte. Das musste Jahrzehnte her sein – und dann war es garantiert keine Haarnadel gewesen. Erheitert schnippte er seine Beute auf die Ablage. Constanze würde sie nicht vermissen. Ein Grinsen stahl sich in sein Gesicht. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie reagieren würde, sah sie ihre abenteuerliche Erscheinung erst im Spiegel. Besonders die wilde Frisur mit den wie Funkantennen abstehenden Haarnadeln. Leise lachend rieb er sich den Nacken. Schade, dass er das nicht miterleben durfte.
Immer noch schmunzelnd trat er ans Waschbecken. Der Tag war viel zu schnell vergangen, aber wenigstens hatte er es geschafft, ihre Verteidigungslinien auszuloten. Verdammt knifflige Sache. Noch nie war ihm eine Frau begegnet, die derart um Abstand bemüht war.
Dass weibliche Wesen in seiner Gegenwart auf Distanz gingen, war er eigentlich nicht gewohnt. Normalerweise traf eher das Gegenteil zu. Frauen suchten gern seine Nähe. Nachdenklich fuhr er sich übers Kinn. Vielleicht lag es an seinem Aussehen, vielleicht an seiner lockeren Art. Er wusste es nicht. Letztlich war es auch egal. Er hatte bei Frauen in der Regel einfach gute Karten … außer vielleicht im Moment, ergänzte er belustigt, als er sein Abbild im Spiegel erblickte. Im Moment sah er eher zum Fürchten aus, wie ein Typ, dem keiner gern bei Nacht begegnete.
Er bildete quasi das männliche Gegenstück zu Constanze – nur in der düsteren Version. Seine ohnehin eigenwilligen Haare hingen ihm chaotisch über die Augen, was deren Farbe noch mehr hervorhob. Auf seinem Kinn prangte ein Schmutzfleck und seine Wangen wiesen deutliche Bartschatten auf. Vielleicht hätte er sein morgendliches Nahkampftraining doch lieber zugunsten einer Rasur abkürzen sollen. Er senkte den Blick. Seine Kleidung war in einem ähnlich desolaten Zustand. Hose und T-Shirt vermittelten den Eindruck, als wäre er damit einmal quer durch den Park gerobbt – was genau genommen auch stimmte. Grinsend streifte er sich das Shirt über den Kopf und pfefferte es in die Wäschetonne.
Als er nach dem Reißverschluss seiner Hose griff, streiften seine Finger die
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