Wie zaehmt man einen Scheich
„Danke, Cala.“ Sie stand auf und umarmte auch die Mutter, achtete darauf, das schlafende Baby nicht zu wecken. „Vielen Dank. Ich werde die Robe immer in Ehren halten und an euch denken, wenn ich sie trage.“ Sie blickte zu Zoltan und fragte sich, ob sie sich zuerst mit ihm abstimmen sollte, entschied dann jedoch impulsiv anders. „Ihr bleibt doch und esst mit uns?“
Mit einer solchen Einladung hatten die Nomaden nicht gerechnet. Unsicher sah das Paar sich an. „Wir wollten wirklich nicht stören“, sagte der Mann.
„Ihr stört nicht“, versicherte Aisha herzlich und hoffte nur, dass Zoltan ebenso dachte.
„Bitte, Mama.“ Cala zupfte ihre Mutter am Ärmel. „Bitte, können wir bleiben?“
„Natürlich bleibt ihr“, kam es da von Zoltan, als hätte es nie infrage gestanden.
Sie setzten sich auf die Kissen um das offene Feuer, aßen würziges Lammfleisch mit Reis und Okra und tranken starken, süßen Tee. Nach dem Essen holte Calas Vater seine Rohrflöte hervor und spielte die lockenden Melodien, die Aisha bei der Ankunft hier gehört hatte.
Cala war näher und näher an die Prinzessin herangerutscht, trotz der Ermahnungen der Mutter. „Bist du wirklich eine echte Prinzessin?“, fragte sie mit großen dunklen Augen.
Aisha lächelte. „Ja.“
„Wo ist denn deine Krone?“
Sie lachte. „Die trage ich nicht jeden Tag.“
„Oh.“ Die Kleine war enttäuscht. „Heißt du auch Prinzessin?“
„Nein, Prinzessin nennt man mich nur, weil es mein Beruf ist. So wie man ‚Doktor‘ oder ‚Professor‘ sagt. Mein richtiger Name ist Aisha.“
Aisha. Mondgöttin.
Seltsam. Zoltan hatte an sie immer nur als „Prinzessin“ gedacht. Doch wie passend, dass sie diesen Namen trug. Kein Wunder, dass sie ihn an eine Göttin erinnerte.
Und da saß sie, seine verwöhnte Prinzessin, hielt ein Kind im Arm und unterhielt sich mit ihm, wie jede andere Mutter es tun würde.
Eines Tages würde diese Frau die Mutter seiner Kinder sein.
Der Gedanke besaß grenzenlose Macht, ließ etwas in seinem Innern anschwellen, für das er keine Worte fand. Er wünschte sich, dass es bald wahr werden würde.
Aisha. Sie saß da, zusammen mit Fremden, und gab so viel von sich. Gab Leuten, die wenig mehr besaßen als das, was sie am Leib trugen, und die ihr wahrscheinlich den kostbarsten Besitz des Stammes geschenkt hatten. Aisha, die seinen Leuten von sich selbst gab.
Vielleicht war sie doch keine verwöhnte Prinzessin.
Der Gedanke kam aus dem Nichts, war so unerhört, dass er ihn fast sofort verdrängte. Aber nur fast. Denn der Beweis war da, direkt vor seinen Augen.
Vielleicht gab es da doch mehr an ihr.
„Danke“, sagte sie, nachdem die Familie gegangen war und sie zu zweit einträchtig Seite an Seite unter der silbernen Sichel den Strand entlangschlenderten. Es schien wie das Normalste der Welt. Es war eine laue, samtschwarze Nacht, einladend und verlockend, aber er wusste, dass seine Prinzessin noch nicht so weit war. Trotzdem drängte es ihn nicht, zu den Studien der jahrhundertealten Texte zurückzukehren.
„Wofür bedankst du dich?“
„Für alle möglichen Dinge“, antwortete sie und begann aufzuzählen: „Dafür, dass du Ahab zu den Kindern geschickt hast. Dafür, dass du den Transport ins Krankenhaus organisiert hast und wahrscheinlich auch die Operation. Und dafür, dass du nichts dagegen hattest, unser Essen mit der Familie zu teilen.“
„Vorsicht, Prinzessin.“ Er hielt die Hand hoch. „Sonst vergesse ich noch, dass du mich hasst.“
Sie blinzelte, musterte ihn eindringlich. Wollte sie abschätzen, ob er es ernst meinte? Oder war ihr soeben der gleiche Gedanke gekommen?
„Du hast also einige positive Züge. Ich würde nicht zu viel hineinlesen.“
Doch ihm fiel auf, dass ihren Worten die Überzeugung der früheren Debatten fehlte. Vor allem fiel ihm auf, dass sie nicht wieder betonte, wie sehr sie ihn hasste. Es war also die richtige Entscheidung gewesen, aus dem Palast zu fliehen, wo alles so steif und formell war und man praktisch ständig unter Beobachtung stand.
Er verschränkte seine Finger mit ihren, und es gefiel ihm, dass sie ihre Hand nicht zurückzog. „Du bist toll mit der Kleinen umgegangen. Ich vermute, du hast eine ergebene Freundin gefunden.“
„Cala ist auch wirklich süß.“
„Du hast es auch geschafft, dass ihre Familie sich wie etwas Besonderes fühlt. Wenn du mit jedem so umgehst, wird aus dir eine großartige Scheicha. Das Volk wird dich lieben.“
Aisha
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