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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Fischkutter im
    Abendrot, auf dem Pflaster Tampen und grüne Fangnetze zum
Trocknen ausgelegt. Malerisch trotz schmuckloser Getreidesilos im
Hintergrund. Liebespaare, wohin man schaut.
    Â»Angenehmer Mensch, dein Max.« Er bietet ihr eine
Zigarette an.
    Sie raucht nur ungern, greift aber zu. »Finde ich auch.«
    Er gibt ihr Feuer. »Die Scheidung wird im gegenseitigen
Einvernehmen ablaufen. Ich lasse sie nicht sitzen. Deine Großmutter
und ich sind uns vollkommen einig. Wir nehmen uns sogar einen Anwalt
zusammen.«
    Â»Kein Grund, sich zu rechtfertigen.«
    Sie stehen und rauchen. Der Wind hat nachgelassen, doch es ist
kalt geblieben. Tönges, im blauen Oberhemd, scheint das nicht zu
stören.
    Â»Ich hätte dich damals nicht zur Heirat drängen
sollen, als du schwanger warst«, sagt er.
    Â»Geschenkt. Meine Ehe ist Geschichte. So wie deine
demnächst. Kommst du wieder mit rein?«
    Â»Einer muss ja die Zeche zahlen.«
    Die kurze Strecke von Burgstaaken nach Westermakelsdorf, wo Livs
Kate steht. Stockfinstere Nacht, links und rechts rote Blinklichter:
Windanlagen, tagsüber ein Ärgernis, weil sie dem Horizont
die Weite nehmen. Max fährt mit offenem Fenster, als wäre
schon Sommer. Sie friert, genießt jedoch die Meerluft, Maikens
Parfüm noch in der Nase. »Du hattest recht«, sagt
er.
    Sie antwortet erst nicht, ist in Gedanken beim Haus, alles wird
klamm sein, muffig und ungemütlich. Im letzten Herbst hatte sie
Mäuse, der Kammerjäger musste kommen. Woraufhin sie sich
überwand, einen Schlüssel beim Nachbarn zu deponieren, mit
der Bitte, ab und zu nach dem Rechten zu sehen.
    Â»Womit hatte ich recht?«, fragt sie nach minutenlanger
Pause.
    Â»Deine Leute sind wirklich ziemlich befremdlich. Und
gehässig. Langweilig fand ich sie allerdings nicht.«
    Genau ihre Worte. Liv hat sie keineswegs vergessen, trotzdem will
sie nicht, dass er abfällig über die Familie redet. Es
macht einen Unterschied, ob sie es tut oder er. Was weiß er
schon?
    Â»Immerhin sind wir hart im Nehmen.« Max lacht. »Nicht
so hart wie im Austeilen.«
    Im Haus brennt Licht. Liv sieht es von Ferne und gerät sofort
in Rage. Ein merkwürdiger Zeitpunkt für einen Kontrollgang.
Zumal der Schornstein raucht, wie sie beim Näherkommen
feststellt. Kein Zweifel, jemand hat es sich dort gemütlich
gemacht, entweder der Nachbar selbst, oder er besitzt die Frechheit,
das Objekt zu vermieten. Den Insulanern traut Liv alles zu. Sie
springt aus dem Wagen, kaum dass Max geparkt hat, und stürmt
los.
    Drinnen wohlige Wärme, der Geruch von Kaminfeuer. Auf dem
Sofa sitzt Aaron und liest ein Buch. Verpflegung hat er auch dabei:
eine Rolle Kartoffelchips, Schokokekse und eine Flasche Cola. Bis auf
das Knistern der Flammen ist es still. Ein schönes Feuer, das
gleichmäßig brennt, wie gemalt.
    Â»Hallo«, sagt er, um Lässigkeit bemüht. »Ich
warte schon seit Stunden. Bin mit dem Mittagszug gekommen. Gut, dass
der Typ nebenan einen Schlüssel hatte.«
    Wie er sie ansieht: ängstlich beinahe, dazu sein Versuch,
Souveränität auszustrahlen. Liv kann nicht anders, sie ist
gerührt. Er besitzt ein Gespür für Selbstinszenierung,
der Junge. Erst taucht er nachts an ihrem Auto auf, jetzt sein Besuch
auf der Insel, weniger überraschend, auch wenn sie nicht fest
mit ihm gerechnet hat. Sie hat bloß, wie immer zu Ostern, eine
Karte an ihn geschrieben, einen Hundert-Euro-Schein hineingelegt und
nebenbei ihre Pläne erwähnt, die Feiertage auf Fehmarn zu
verbringen. Damit er in Lübeck gegebenenfalls nicht vor
verschlossener Tür stünde. Es sollte nicht aussehen, als ob
sie ihr Versprechen vergessen hätte.
    Â»Da bist du also«, sagt sie. Es klingt lahm. Dem
Gefühl nach hätte sie genauso gut sagen können: Schön,
dass du da bist.Aber sie ist zu verwirrt über dieses Empfinden,
um es in Worte zu fassen. Max kommt herein und stolpert über
eine riesige Reisetasche auf dem Boden. Sie ist prall gefüllt.
    Aaron hat sie beim Wort genommen.
    Â 
    Â 

Trümmer
    Knabenhände.Der Enkel mit drei bewegt sich durch die Welt wie
ein Blinder, tastend, in tiefes Schweigen versunken. Ohne jene
ungestüme Tapsigkeit, die ihre eigenen Kinder in demselben Alter
an den Tag gelegt haben, befühlt er alles, was ihm aufBjarg
begegnet: die Kühe und Schafe, den körnigen schwarzen Sand,
das Moos, die erkaltete

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