Wiedersehen in den Highlands - Roman
schlug die Augen auf. » Lak, lak .«
Der Flachsfabrikant schnellte zu seiner Tochter herum, die ihm ins Schlafzimmer gefolgt war. »Was? Was hat sie gesagt, Rose?«
»Sie hustet.«
» Lak, lak, lak .«
Er drückte Eunice Prole aufs Kissen zurück, nahm ihren Kopf in seine beiden Hände und musterte sie eingehend. »Blut, ist das Blut auf ihrem Mund?«
»Meerzwiebel, glaube ich«, sagte Rose.
Eunice hustete wieder und streckte in dem Versuch, Neville abzuwehren, die Zunge heraus. »Lakritze, du Narr«, brummte sie. »Ich lutsche an einem Lakritztaler.«
»Gott sei Dank«, murmelte Neville und drückte ihr ungeachtet der klebrigen Süßigkeit einen Kuss auf die Lippen. »Ich dachte schon, ich hätte dich auch noch verloren.«
Zu Rose’ Bestürzung zog Mrs. Prole ihren Vater an sich und umarmte ihn zärtlich. Das Mädchen war nie auf den Gedanken gekommen, Papa und die hagere Haushälterin könnten verliebt sein. Rose war nicht so naiv zu übersehen, dass sie sich offenbar das Bett teilten, und sie konnte sich beim besten Willen den grässlichen Gedanken nicht aus dem Kopf schlagen, dass Papa und Mrs. Prole gewisse Dinge taten, die sich eher für ein Ehepaar schickten als für eine Haushälterin und ihren Arbeitgeber.
Rose räusperte sich geräuschvoll.
Das Kinn auf Nevilles Schulter gestützt, sagte Eunice: »Du wirst deinem Vater das Abendessen selbst herrichten müssen. Suppe ist im schwarzen Topf und Schmalzfleisch in der Speisekammer.« Und dann vergrub sie die Nase in Nevilles Nacken und gab sich einem erneuten Hustenanfall hin.
Rose ging in die Küche. Sie hatte bereits das Feuer geschürt, etwas Wasser zu der Hammelfleischsuppe gegeben und den Topf zum Köcheln auf den Grillrost gestellt. Sie hatte sich den ganzen Abend beschäftigt, war über die Straße gelaufen, um Dr. Glendinning von seinem Haus herüberzuzerren, war immer wieder zu Mrs. Prole geeilt, um ihr die Medizin zu verabreichen, die der Doktor für sie dagelassen hatte – und war im Grunde doch immer nur vor Tom Brodies Zurückweisung davongelaufen.
Sie öffnete die Tür zur Speisekammer und ging hinein.
Es roch wie üblich angenehm nach Käse. Auf den Regalen standen Reihen mit Krügen und Flaschen, Butterfässchen und Eierschachteln. Zum Schutz vor Mäusen deckten Drahthauben Platten mit Speck und Räucherfisch ab, aus dem Mrs. Prole Frühstücks-Kedgerees nach einem Rezept zubereitete, das sie angeblich von einem Hindu an den Kais von Ayr gelernt hatte.
Nachdenklich krauste Rose die Stirn. Eunice Prole schlug sie vielleicht, und sie schimpfte mit ihr und maßregelte sie, aber Mrs. Prole sorgte auch dafür, dass sie genug zu essen hatte, dass ihre Kleider ordentlich genäht und ihre Unterröcke gewaschen waren. Ist es die Angst, ihren Platz zu verlieren, die Mrs. Prole mitunter so gehässig und gemein sein lässt?, fragte sich Rose, oder sind es die Narben einer kinderlosen Ehe?
Vielleicht, dachte sie, sollte ich hieraus eine Lehre für mich ziehen. Sie, Rose, war schließlich nicht Heloise, und Tom Brodie nicht Abelard. Sie hatte sich eine Romanze ausgedacht, wo es keine gab. Er hatte mit ihr getanzt, sie geküsst, ihr versprochen, mit ihr durchzubrennen, aber letztendlich war er eben doch nicht mehr als ein derber Farmer mit einem schlechten Ruf und einer ungesunden Selbstgefälligkeit.
Dann dämmerte ihr, dass sie sich Tom Brodie nicht als Ehemann, sondern als Liebhaber vorgestellt hatte und dass Tassie Landles’ Prophezeiung eines prächtigen Hauses und einer großen Kinderschar vielleicht weniger ein Versprechen als vielmehr eine Drohung gewesen war.
Die Tür der Speisekammer schloss sich bleischwer und leise hinter Rose, und sie war in warme, gedämpfte Dunkelheit gehüllt. Nicht sicher, was sie eigentlich wollte oder warum Toms verächtliche Geste sie so verletzt hatte, kauerte sie sich hin, machte sich klein, presste die Handballen in ihren Schoß und wippte leise schluchzend hin und her.
»Rose?«, rief ihr Vater, aber nicht sehr streng. »Wo bist du, Rose?«
Sie rappelte sich hoch, wischte sich die Augen trocken und öffnete die Tür der Speisekammer.
»Ich bin hier, Papa«, sagte sie, »ich bin hier.« Und dann ging sie mit der Platte mit Schmalzfleisch in den Händen hinaus, um ihrem Vater das Abendessen aufzutragen.
Janet lag ausgestreckt auf dem Rücken. Die Decke hatte sie bis zum Hals hochgezogen.
»Er hat sie getroffen«, sagte sie. »Ich bin sicher, er hat sie getroffen. Das konnte ich an seiner
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