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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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mich. Die kleine Schwester Withers ist ein Ausbund an Tugend und ebenso gut organisiert wie du. Was für ein freudloses Leben.«
    Ich ignorierte ihn und setzte mich hinters Steuer.
    »Wohin?«, fragte ich fröhlich.
    »Sei nicht dumm, Tom. Du weißt, wohin wir fahren. Also los.«
    Aber ich war nicht in der Stimmung, mir Vorschriften machen zu lassen. »Eigentlich hatte ich eine andere Idee. Ich war gestern in Stonebridge und bin an dem Pub vorbeigekommen, das du so gern mochtest. Das Falcon. Dort gab es immer ein anständiges Mittagessen.«
    Reggie schaute mich an. Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte.
    »Und wie genau soll ich ins Falcon hineinkommen? Vielleicht über eine nette Rampe? Oder in dem Rollstuhl, den sie für vorbeikommende Krüppel bereithalten?«
    »Genau so, wie du die Stufen hinuntergekommen bist. Ich habe Männer unter schlimmeren Umständen getragen, das kannst du mir glauben.« Und es stimmte, obwohl ich nicht gern daran dachte.
    »Was für ein nettes Spektakel«, höhnte Reggie. »Schaut mal da! Der nette Captain Allen trägt seinen beinlosen Freund spazieren! Nicht glotzen. Um Gottes willen, nicht glotzen. War mal der beste Schütze in der Grafschaft, aber mit einer deutschen Haubitze konnte er es nicht aufnehmen. Schnell, macht Platz für den Krüppel!«
    »Na schön.« Ich sagte es so leise, dass er meinen Zorn nicht sofort spürte. »Eins möchte ich klarstellen. Ich werde dich nach Hannesford bringen, und dann kannst du von mir aus den Rest deines Lebens in deinem Zimmer hocken und nie wieder herauskommen. Aber ich habe deiner Familie seit einer Woche Gesellschaft geleistet, was du dich anscheinend nicht traust, und könnte jetzt wirklich ein Bier vertragen. Falls du nicht höflich genug bist, mich zu begleiten, kannst du verdammt noch mal im Wagen warten.«
    Unsere Gesichter waren nicht weit voneinander entfernt, und ich trotzte Reggies funkelndem Blick. Der Teil seines Gesicht, der nicht vernarbt war, lief zu einem gefährlichen, violetten Rot an, und ich dachte schon, er würde vor Wut explodieren. Als er nach dem Türgriff tastete, befürchtete ich, erkönnte sich aus dem Wagen stürzen. Zuzutrauen war es ihm. Meinetwegen sollte er auf dem Bauch nach Hannesford zurückkriechen, wenn ihm danach war. In diesem Augenblick war es mir völlig egal. Ich hätte ihn kriechen lassen. Bessere Männer als Reginald Stansbury hatten Schlimmeres erlitten.
    Doch dann, in Sekundenschnelle, war sein Zorn verflogen, und er lächelte schief.
    »Na so was! Tom Allen, das war meisterhaft! Hast du dein weiches Herz auf den Schlachtfeldern Frankreichs gelassen? Sicher können wir nach Stonebridge fahren, wenn du es möchtest. Wieso nicht? Schlimmer als Hannesford wird es auch nicht sein. Und ein Bier kann ich immer noch trinken.«
    Wir fuhren schweigend weiter. Mein Zorn legte sich nicht so schnell wie Reggies, und ich konzentrierte mich ganz auf die Straße. Er selbst blickte gleichgültig auf die Landschaft.
    »Was ist mit Mutter und den anderen?«, fragte er schließlich. »Erwarten sie uns nicht?«
    »Ich denke schon. Aber da du die strikte Anweisung gegeben hast, dass man deine Ankunft ignorieren soll, ist es wohl ohnehin egal. Deine Mutter hält sich peinlich genau daran. Als ich losfuhr, erklärte sie dem Butler gerade, dass die Dienstboten sich verhalten sollen, als wärst du nie weg gewesen.«
    »Dem Butler? Immer noch der alte Rowse? Er hatte eine Schwäche für Pferderennen.« Die Erinnerung daran schien ihn aufzuheitern. »Wir haben Tipps ausgetauscht. Er war total verrückt. Ich frage mich, wie er es die ganze Zeit ohne Besuche auf der Rennbahn ausgehalten hat.«
    Das Falcon in Stonebridge war ein heruntergekommenes steinernes Gebäude am Rande des Moores, knapp hinter dem Dorf. Es wirkte verlassen, doch der Wirt trat in die Tür, als er den Daimler hörte. Er war um die fünfzig, stämmig und phlegmatisch, mit einem eindrucksvollen Schnurrbart. Er hatte Reggie früher gut gekannt. Falls ihn das veränderte Aussehenseines Gastes schockierte, zeigte er es kaum. Ich bemerkte lediglich einen Anflug von Überraschung in seinem Gesicht. Wir trugen Reggie gemeinsam und ohne größere Schwierigkeiten hinein und machten es ihm im kleinen Kaminzimmer bequem. Ich sah, wie er vor Scham errötete, doch er beklagte sich nicht. Der Wirt zeigte sich weiterhin taktvoll, brachte Bier, versprach Essen und zog sich diskret zurück.
    Mit einem Bier vor sich auf dem Tisch und der Aussicht auf eine Wildpastete besserte

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