Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
mir. »Nur Sie, kein Chauffeur, keine Angehörigen. Darauf hat er bestanden.«
Der Schnee war unter der hellen Wintersonne weiter geschmolzen, nur auf den oberen Hängen des Moores waren noch einzelne Flecken zu sehen. Der Himmel war wolkenlos. Ich hatte keinen triftigen Grund, die Bitte abzulehnen.
»Würde Ihnen elf Uhr passen? Um diese Zeit erwartet er Sie. Das Sanatorium schickt alle Sachen hierher. Und eine Schwester namens Withers kommt ebenfalls mit. Sie versteht sich gut mit Reggie, wie die Oberin mitteilte.« Sie hielt inne und seufzte. »Du lieber Himmel! Ich hoffe nur, dass er nicht zu schwierig ist!«
Ich versicherte ihr, dass mir elf Uhr sehr recht sei. Als Freddie Masters von dem Arrangement hörte, stieß er einen leisen Pfiff aus.
»Du wirst angeheuert, um den verlorenen Sohn zurückzuholen? Oder war Harry der verlorene Sohn und Reggie der treue? Schwer zu sagen. Jedenfalls solltest du ihn irgendwie beruhigen. Es wäre nett, wenn uns nicht gleich alles um die Ohren flöge …«
Doch es war weniger Reggie Stansburys Rückkehr nach Hannesford, die mich beschäftigte. Zum ersten Mal, seit ich mich erinnern konnte, war ich nicht in der Morgendämmerungaufgewacht. Statt abrupt und hellwach aus dem Schlaf hochzuschrecken, war ich langsam und schrittweise daraus aufgetaucht, hatte mich unwohl und verwirrt gefühlt, weil mir war, als hätte ich einen Fehltritt begangen. Als ich endlich klar denken konnte und meine Augen sich auf die hellen Lichtmuster am Fenster konzentrierten, brachte mir die Klarheit ausnahmsweise keinen Trost.
Die Fotos lagen neben meinem Bett, obenauf das Bild von Anne, auf dem sie Blumen arrangierte. Ich kann schlecht beschreiben, was ich empfand, als mein Blick darauf fiel. Ein heller Lichtstrahl, gefolgt von Entsetzen und Scham. Seit meinem ersten Besuch in Hannesford hatte ich mich nie wieder so frei gefühlt, doch die Freiheit hatte ihren Preis. Schweren Herzens griff ich zu Papier und Stift und verfasste eine kurze Nachricht, in der ich sie um eine Unterredung am Nachmittag bat. Mir war, als hätte ich ein heilloses Durcheinander verursacht.
Ich sah Margot erst kurz bevor ich nach Cullingford aufbrach. Wir liefen uns in der Großen Halle über den Weg, als sie und Susan gerade ins Dorf gehen wollten. Wir grüßten einander, und als sich unsere Blicke trafen, lächelte Margot. Nicht schelmisch, nicht verschwörerisch, sondern ehrlich und kein bisschen verlegen. Ich war verunsichert und hoffte, dass ich ein ähnliches Lächeln zustandebrachte. An diese Situation musste ich mich erst gewöhnen.
Die Fahrt übers Moor verlief ereignislos, und ich genoss es, an einem klaren Wintertag allein dort zu sein. Im Vergleich dazu wirkte Cullingford schäbig und überfüllt, die Straßen schlammig und voller Schneematsch. Um kurz vor elf erreichte ich das Sanatorium, wo Reggie schon vor dem Eingang auf mich wartete. Er trug Mantel und Mütze und rauchte gereizt. Er hatte den Rollstuhl so platziert, dass er die Auffahrt überblicken konnte. Als sich der Daimler näherte, warf er einen Blick auf die Uhr.
»Wie pünktlich du bist, Tom«, rief er, als ich ausstieg. »Ordnung ist das halbe Leben.« Der Spott war subtil, und ich sagte nichts dazu. Außerdem stimmte es nicht. Vor meiner Militärzeit war ich bei weitem nicht so pünktlich gewesen.
»Bereit?« Ich schaute mich um. »Musst du dich von niemandem verabschieden?«
»Herrgott noch mal, Allen.« Reggie warf die Zigarette auf den Kies. »Bring mich bloß weg von hier.«
Es waren drei Stufen bis zur Tür. Ich blieb auf der untersten stehen und schaute zum Haus, weil ich mit Hilfe rechnete.
»Es kommt keiner.« Reggie war blass, seine Stimme klang spröde. »Das war meine Anweisung. Es gab Streit deswegen. Ich habe gesagt, du würdest mich hinuntertragen. Schaffst du das? Am besten öffnest du zuerst die Wagentür.«
Ich zog es vor, keine weiteren Fragen zu stellen, sondern öffnete die Beifahrertür des Daimlers und kehrte zu Reggie zurück. Es war nicht einfach, ihn hochzuheben. Selbst ohne Beine war er ziemlich schwer, doch es gelang mir, ihn die Stufen hinunterzutragen. Mit gemeinsamer Anstrengung schafften wir es, ihn im Wagen unterzubringen. Dabei fiel die Decke zu Boden, die auf seinem Schoß lag, und ich musste sie aufheben.
»Demütigend, was?«, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Was ist mit dem Stuhl?«
»Den kannst du hierlassen. Sie haben schon einen vorausgeschickt. Die kleine Schwester Withers wartet auf
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