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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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das ist vorbei. Du hast dich verändert.«
    »Aber heute Nacht … Das zeigt doch …«
    »Es zeigt nur, dass ich dich überrascht habe.« Sie legte die Handfläche an meine Wange, kühl und erlesen. »Und dass du dich daran erinnerst, wie du früher empfunden hast. Aber du hast dich verändert. Du schaust an mir vorbei, wie du es früher nie getan hättest.«
    »Du wolltest also … du wolltest das zurückholen?« Ein Funken Zorn flammte in mir auf.
    »Pst …« Sie beugte sich vor und küsste mich. »Sei still, Tom.« Ihre Finger streichelten über meine Wange, und ich ließ mich beruhigen.
    »Falls es dich interessiert«, flüsterte sie kurz darauf, »ich bin heute Nacht aus rein egoistischen Gründen bei dir.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Sie rollte sich auf den Rücken, schob sich ein Kissen unter den Kopf und zog die Decke keusch bis zum Hals.
    »Hast du Zigaretten?« Zu meiner Überraschung kicherte sie. »Kannst du dir vorstellen, wie schockiert meine Mutter wäre, wenn sie wüsste, dass ich im Bett rauche?«
    Wir lachten beide, und ich holte die Zigaretten vom Schreibtisch. Es war seltsam, nackt vor ihr zu stehen, aber nicht unangenehm. Mir kam der Gedanke, dass auch Margot vollkommen ungezwungen wirkte. Sie musste die Frage in meinem Gesicht gelesen haben.
    »Wie du vermutlich schon ahnst, gab es andere. Liebhaber, meine ich. Schockiert dich das?«
    Ein bisschen. Doch ich schüttelte den Kopf und legte mich wieder unter die Decke. Verglichen mit dem Zimmer war das Bett wunderbar warm.
    »Ich vermute, es hat angefangen, als ich … als wir darauf gewartet haben, dass Julian stirbt. Mit einem Offizierskameraden. Nun schau nicht so entsetzt, Tom! Damals war alles anders. Alles hatte sich verändert. Die Menschen warteten nicht mehr ab. Sie hatten keine Zeit . Die Menschen maßen die Zukunft in Wochen. Und Julian war … er war unwiderruflich zerstört. Seine Freunde waren am Leben und trösteten mich, und es zählte nur der Augenblick, weil auch sie vielleicht nie zurückkommen würden.«
    Sie drehte sich ein wenig, so dass sie mich ansehen konnte, und legte die Hand auf meine Brust.
    »Keiner von ihnen ist zurückgekommen. Es waren insgesamt drei, und alle waren wenige Monate später tot. Dann starb auch Julian, viel früher als erwartet, und danach wollte mir keiner mehr nahe kommen, weil ich praktisch als Witwe galt, und Witwen sind jetzt heilig, wie du weißt. Ich hatte Angst, man könnte mich lächeln sehen, weil man das als Verbrechen gegenüber den Toten betrachtet hätte. Aber jetzt … jetzt haben wir 1919. Der Krieg ist vorbei. Die Restaurants bleiben abends geöffnet. Ich glaube, ich darf jetzt auch wieder lebendig sein, oder?«
    »Und das … heute Nacht … ist Lebendigsein?«
    Sie nahm eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie aber nicht an. »Nun, was würdest du sagen?«
    »Es ist besser als Totsein.«
    Sie lachte schallend. »Was für ein Kompliment! Du hast mir noch nie geschmeichelt, was?«
    Sie legte die Zigarette wieder weg und kuschelte sich an mich, wobei sie meinen Oberarm rieb, als wollte sie mich wärmen.
    »Da draußen muss es ganz schön kalt sein.«
    »Und ob.« Ich berührte sie nicht. Ich versuchte, herauszufinden, was geschehen war und was es bedeutete. »Warum heute Nacht?«
    »Wenn du es genau wissen willst, ich dachte, es wäre das Zimmer von Horatio Finch-Taylor.« Sie sagte es vollkommen ernst und wartete, bis ich lächelte, bevor sie herausplatzte. Dann griff sie nach meiner Hand und schlang ihre Finger um meine.
    »Ich nehme an, ich war neugierig. Auf dich. Auf uns. All die Jahre hast du mich gewollt, aber ich hatte andere Pläne. Damals war ich mir bei allem so sicher. Und als ich dann hörte, dass du in dieser Woche herkommst, habe ich mich unwillkürlich gefragt … Aber du hast dich verändert. Du bist über mich hinweg. Deswegen mag ich dich noch lieber. Und vielleicht können wir jetzt getrennte Wege gehen, ohne immer neugierig zu sein.«
    Ich schaute ihr ins Gesicht, das in sanftes Licht getaucht war, umrahmt von ihrem lose herabfallenden Haar, und dachte, dass ich noch nie etwas Schöneres oder jemand Schöneren gesehen hatte. Doch ihre Worte lösten keine Verzweiflung in mir aus. Nicht einmal Bedauern.
    »Ist es so einfach, getrennte Wege zu gehen? Nach dem hier?«
    »Natürlich. Das habe ich gewusst, seit du zurückgekommen bist. Du hast mich ganz anders angesehen. Das Feuer ist erloschen, nicht wahr?«
    »Ich finde dich immer noch unglaublich

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