Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
ins Gesicht.«
Reggie drehte sich um und blickte zum Feuer. Wie er so dasaß, entstellt und unglücklich, schnürte es mir die Kehle zu.
»Was hast du geantwortet?«
»Ich habe ihn verflucht und gesagt, ich würde ihm kein Wort glauben. Er sei doch nur eifersüchtig. Aber er schüttelte den Kopf und sagte: › Ehrlich, alter Junge, du musst aufpassen. Sie versucht, dir einen Bastard anzudrehen. Frag sie doch. ‹«
Natürlich. Noch bevor Reggie es ausgesprochen hatte, ergab alles einen Sinn. Der charmante, bezaubernde Harry … Die Bruchstücke fügten sich zu einem Bild.
»Ihr habt euch also wie geplant getroffen?«
Er nickte.
»Im Bootshaus?«
»Nein, auf der anderen Seite des Sees. Es war schrecklich, Tom. Einfach schrecklich.« Er schluckte schwer, rang um Fassung. »Sie war natürlich in ihn verliebt. In Harry. Ich habe sie zur Rede gestellt, und sie hat es nicht abgestritten. Sie hat einfach nur genickt. Es ging schon seit Monaten. Sie trafen sich im Bootshaus oder in der alten Kapelle im Wald oberhalb des Flusses. Für sie war Harry der strahlende Ritter, von dem sie immer geträumt hatte.«
Ich erinnerte mich, was am Rand ihres Buches gestanden hatte. Wie typisch, dass Harry sich so gesehen hatte. Und er hatte es im vollen Wissen hineingeschrieben, dass Julia das Buch von seinem Bruder bekommen hatte.
»Sie war also schwanger? Und das Kind war von Harry?«
Reggie nickte erneut.
»Und er wusste davon?«
»Ja. Sie hat es ihm gesagt, sowie sie es ahnte.«
»Was hat er getan?«
Er zuckte mit den Schultern. »Was hat Harry wohl getan? Seine Hände in Unschuld gewaschen. Es war ihr Problem, nicht seines. Das hat er ihr auch gesagt. Sie solle sich einen Jungen aus dem Dorf zum Heiraten suchen. Das sei doch wohl die übliche Lösung für dieses Problem.«
»Aber sie hat dich ausgewählt?«
Reggie wandte sich vom Kaminfeuer weg. »Natürlich.« Er klang nicht verbittert. »Das war doch naheliegend.«
Einen Moment lang schwiegen wir beide.
»Was ist passiert, nachdem sie es dir erzählt hatte? Was hast du getan?«
»Ich habe sie jedenfalls nicht geschlagen, falls du darauf anspielst. Ich habe geschrien. Ich habe getobt. Ich habe gefürchtet, ihr den Hals zu brechen. Ich habe ihr vorgeworfen, dass sie mich belogen und betrogen und zum Narren gemacht hat. Das schmerzte natürlich am meisten – dass ich geglaubt hatte, sie könnte tatsächlich mich begehren. Und dann habe ich gesagt, ich würde dafür sorgen, dass ich sie nie im Leben wiedersehen muss. Sie stand einfach da, schaute zu Boden und nickte nur. Ich hatte wohl damit gerechnet, dass sie zusammenbrechen und mich um Verzeihung bitten würde. Ich hatte es mir gewünscht. Und soll ich dir was sagen? Sie hat mir nicht ein einziges Mal widersprochen. Sie war einfach nur erleichtert, dass sie die Sache nicht zu Ende bringen musste.«
Reggie hatte sein zweites Bier fast ausgetrunken. Er musterte prüfend den letzten Zoll Flüssigkeit in seinem Glas und ließ ihn vorsichtig kreisen.
»Und weißt du, was noch jämmerlicher ist? Hätte sie mir von Anfang an die Wahrheit gesagt – über Harry und das Kind – und mich um Hilfe gebeten, hätte ich sie trotzdem geheiratet. Sofort.«
Es war Zeit, nach Hannesford zurückzukehren. Obwohl der Haushalt mit den Vorbereitungen für den Ball beschäftigt war, würde man sich Sorgen machen, wenn sich unsere Ankunft zu sehr verzögerte. Ich wartete, bis wir im Daimler saßen, bevor ich den Faden wieder aufnahm.
»Du hast Miss Woodward also am See zurückgelassen. Hast du sie da zum letzten Mal gesehen?«
»Ja. Ich bin noch zum Rosenball geblieben, um den Scheinzu wahren, und habe dann den Zug nach London genommen. Kurz darauf befanden wir uns im Krieg.«
Die Straße, die aus Stonebridge hinausführte, war sehr unwegsam, und ich musste mich darauf konzentrieren, den Daimler geradeaus zu steuern.
»Was hat der Professor zu dir gesagt, das dich so in Rage versetzt hat?«, erkundigte ich mich, als wir die schlimmsten Schlaglöcher hinter uns hatten.
Reggie zündete sich eine Zigarette an. »Auf seine höfliche deutsche Art hat er mich gefragt, ob ich Miss Woodward in irgendeiner Form Gewalt angetan hätte. Er sagte, er wolle mir die Möglichkeit geben, die Vorwürfe zu widerlegen. Du kannst dir vorstellen, wie ich darauf reagiert habe. Er solle verschwinden, bevor ich ihm Gewalt antun würde. Ich habe es natürlich nicht so elegant ausgedrückt, denn ich fand seine Frage wirklich unverfroren.«
»Aber du
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