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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Stansbury?«
    »Nein, Sir, es war Reginald Stansbury, der meine Julia belästigt hat. Nicht, dass sie ihn je ermutigt hätte, das muss ich ihr lassen. Hat ihm einen Korb gegeben. Trotzdem kann diese Aufmerksamkeit nicht gut für ein junges Mädchen gewesen sein, oder?«
    Ich fühlte mich nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Mrs Woodward wertete mein Schweigen als Zustimmung.
    »Natürlich habe ich gehört, dass er selbst schlimm dran ist. Es heißt, er hätte beide Beine verloren. Aber es geht ihm immer noch besser als meiner Julia, oder?«
    Auch darauf wusste ich keine Antwort. Vermutlich ja. Sicher war ich mir nicht.
    Es wurde dunkel, als Anne und ich den steilen, bewaldeten Hang hinuntergingen, der vom White Cottage zum Park führte. Sie hatte mich wieder untergehakt, weil der schmelzende Schnee den Weg ein bisschen rutschig machte, doch keiner von uns stolperte. Obwohl wir jahrelang nicht hier gewesen waren, kehrte die alte Vertrautheit mit Hannesford sofort zurück.
    »Es tut mir leid, Tom. Ich hätte Sie warnen sollen, dass Mrs Woodward sich gelegentlich so benimmt. Sie leidet sehr unter den Schicksalsschlägen, die sie getroffen haben.«
    »Das ist sicherlich ihr gutes Recht. Allerdings war ich etwas überrascht wegen Reggie. Wussten Sie davon?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nur dass sie sich beklagt hat, die Stansburys hätten ihrer Tochter den Kopf verdreht. Aber sie erwähnte nie irgendwelche Einzelheiten.«
    »Glauben Sie ihr? Könnte Reggie tatsächlich Julia Woodward den Hof gemacht haben? Ich hatte nie den Eindruck, dass er ein großer Frauenheld war.«
    Anne schien meine Zweifel zu teilen. Selbst bei gesellschaftlichen Anlässen hatte Reggie dem anderen Geschlecht nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt.
    »Mrs Woodward könnte es sich eingebildet haben. Reggie war immer mit seiner Flinte unterwegs. Vermutlich hat sie ihn ziemlich oft in der Nähe ihres Hauses gesehen.«
    »Wir können Mrs Uttley danach fragen. Sie weiß alles über das Dorf. Zumindest war das so, als sie noch viel herumkam.« Anne überlegte kurz. »Soweit ich mich erinnere, war Mrs Woodward dagegen, Julia auf ein Internat zu schicken. Sie meinte, es würde ihr Flausen in den Kopf setzen.«
    Der Weg vom White Cottage führte hinunter zur alten Brücke und dem Teich, in dem Julia Woodward ertrunken war. Als wir zwischen den Bäumen hervortraten und ihn vor uns liegen sahen, blieben wir beide stehen. Ich sah, wie Anne schauderte.
    »Kommen Sie«, sagte sie. »Es ist fast dunkel. Wir sollten uns beeilen.«
    Ich nickte. Doch als wir die Brücke überquerten, dachte ich nicht an Miss Woodward, sondern stellte mir die Szene vor, die Freddie Masters mir geschildert hatte: der Professor in Abendkleidung auf ebendieser Brücke, wie er mit einem Unbekannten stritt. Dann ein Schlag, der Professor tastete auf dem Boden nach seiner Brille. Als wir das andere Ufer erreicht hatten, erzählte ich Anne davon.
    »Was für eine unerfreuliche Geschichte«, sagte sie leise, als wir die Bäume hinter uns ließen und Hannesford Court funkelndvor uns in der Dämmerung auftauchte. »Kommen Sie mit bis zum Pfarrhaus, Tom?«
    »Natürlich«, erwiderte ich, leicht gekränkt, dass sie annahm, ich könnte sie in der Dunkelheit allein gehen lassen.
    »Beeilen wir uns. Sie werden zurückerwartet.«
    »Vermissen Sie es?«, fragte ich, als wir am Waldrand entlang zum Dorf gingen. »Hannesfort Court, meine ich. Es war auch einmal Teil Ihres Lebens.«
    »Natürlich war es das. Aber ich vermisse es nicht. Ich war zu lange dort.«
    Wieder bewunderte ich ihre Gewissheit. Danach schwiegen wir eine Weile, und meine Gedanken wanderten zurück zu Julia Woodward.
    »Es ist seltsam, nicht wahr? Nach all den Jahren so etwas über Reggie zu erfahren. Und Freddies Geschichte über den Professor. So als wüssten wir nur einen Bruchteil dessen, was um uns herum vorgegangen ist. Kann das denn sein?«
    Anne legte den Kopf schief, als suchte sie nach den richtigen Worten. Wir hatten die Dorfstraße erreicht, und vor uns tauchten das Pub, die Kirche und die Lichter des Pfarrhauses auf.
    »Es schien eine sehr kleine Welt zu sein«, sagte sie schließlich. »Aber ich nehme an, gerade in einer kleinen Welt können die Menschen sehr gut Geheimnisse bewahren.«
    Wir verabschiedeten uns am Tor des Pfarrhauses. Ich wollte ihr schon die Hand geben, zögerte aber, weil ich nicht wusste, welche Regeln für uns galten.
    »Gute Nacht, Tom«, sagte sie lächelnd. »Und frohe Weihnachten.«

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