Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
beurteilen«, sagte ich und merkte sofort, wie steif und geradezu albern das klang.
»Natürlich hat sie ihn geliebt.« Violet Eccleston tat meine Bemerkung verächtlich ab. »Das ist doch offensichtlich. Haben Sie vor zu heiraten, Captain Allen? Ich würde sagen, es ist Ihre Pflicht.«
»Tom«, korrigierte ich sie erneut und hoffte noch immer auf meine Rettung. »Bitte nennen Sie mich Tom.«
Dann erschien Margot wie ein Geschenk des Himmels, dicht gefolgt von Neil Maclean. Ich war selten so erleichtert gewesen, sie zu sehen.
»Hallo, Tom! Wir haben uns schon gefragt, was aus dir geworden ist, stimmt’s, Neil?«
Sie trug ein tiefgrünes Kleid. Die Erkenntnis, wie lebendig sie wirkte, traf mich wie ein Schlag.
»Nein, Bill, wir haben keine Zeit für Champagner. Wir sollen euch holen.« Sie hakte mich unter. »Auf geht’s.«
Also ging ich mit. Und redete mir ein, dass ich einfach nur Violet Eccleston entkommen wollte.
Zu meiner Überraschung bat mich Neil Maclean um ein Gespräch in der Bibliothek, bevor wir zum Essen gingen.
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie von den anderen weghole, aber ich wollte mit Ihnen über eine etwas heikle Angelegenheit sprechen.«
Mein Herz zog sich zusammen. »In diesem Fall sollten wir uns vielleicht besser setzen.« Ich hockte mich auf die Armlehne eines Sofas. Maclean blieb anscheinend lieber stehen.
»Vermutlich wissen Sie, Captain, dass ich Margot in den vergangenen acht Monaten ziemlich häufig gesehen habe. Sie brauchen mir nicht zu sagen, dass sie eine äußerst bemerkenswerte junge Dame ist. Sie beide sind alte Freunde. Ich weiß, dass ihr Glück Ihnen sehr am Herzen liegt.«
»Natürlich«, erwiderte ich, noch immer höchst besorgt über die Richtung, die das Gespräch genommen hatte. Statt dem Amerikaner in die Augen zu schauen, ließ ich meinen Blick über die Bücherregale hinter ihm gleiten. Ich hatte die schreckliche Vorahnung, dass er mich um meinen Segen bitten wollte.
»In diesem Fall hoffe ich, dass Sie mir verzeihen, wenn ich mir die folgende Frage erlaube. Als ich Margot kennenlernte, war sie bereits … ungebunden. Ihr Verlobter war ein Jahr zuvor gestorben. Meines Wissens ging es ihm schon längere Zeit nicht gut.«
Julian. Das war’s also. Meine Schultern entspannten sich ein wenig.
»Das stimmt. Er war ziemlich schwer verwundet. Er blieb in London im Krankenhaus, bis man ihn für so weit genesen hielt, dass er nach Hause entlassen werden konnte. Dort erlitt er eine Art Anfall, und danach ging es ihm wohl sehr schlecht.«
»Haben Sie ihn besucht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist alles passiert, während ich an der Front war. In den letzten ein oder zwei Jahren bin ich kaum zu Hause gewesen.«
Maclean hatte begonnen, auf und ab zu laufen. »Was war er für ein Mann? Mir scheint, er war hoch angesehen.«
Allmählich dämmerte es mir. Neil Maclean war ein selbstbewusster Mann, der eigentlich keine Angst haben muste, sich mit jemandem zu messen. Doch ein toter Rivale war etwas anderes. Diese Schlacht war schwerer zu gewinnen. Maclean fühlte sich unsicher.
»Julian Trevelyan galt immer als der begehrenswerteste Junggeselle seiner Generation«, sagte ich etwas brutal. »Mütter und Töchter schienen darin einer Meinung zu sein.«
»So war das, hm?« Maclean verzog das Gesicht, und ich musste lächeln. In solchen Augenblicken fiel es mir schwer, den Amerikaner nicht zu mögen.
»Spricht sie oft mit Ihnen über ihn?«
Mein Blick war zu den Bücherregalen zurückgekehrt, und mir kam ein Gedanke, der nichts mit Margot zu tun hatte. »Eigentlich nicht.«
Er seufzte und murmelte, es sei für alle eine schwierige Situation.
»Nach allem, was ich über den Mann gehört habe, muss er ein ziemliches Loch in Margots Leben hinterlassen haben«, sagte er, als wir die Bibliothek verließen. »Es ist nicht leicht für ein Mädchen, darüber hinwegzukommen.«
Er sagte es in mitfühlendem Ton, und dennoch huschte etwas über sein Gesicht – ein Schatten der Ungeduld vielleicht, der darauf schließen ließ, dass auch für Maclean die Verehrung der Toten schon zu verblassen begann.
Obwohl mir durchaus klar gewesen war, dass Julian Trevelyan die besten Voraussetzungen hatte, sich Margots Hand zu sichern, dachte ich lange gar nicht weiter darüber nach. Als Rivale erschien er mir uninteressant. Ziemlich kalt, herablassend, ein Snob – Julian war nicht sympathisch genug, um meine Eifersucht zu wecken, und sein Geld beeindrucktemich nicht. Ich ging davon aus,
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