Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
ener letzte Sommer wurde mit jedem Tag heißer. Jenseits der Gärten von Hannesford fing sich die Hitze in den Feldern, und der Dunst ließ die Hecken verschwimmen. Tom kam als einer der Letzten; er tauchte unangekündigt auf, wie es manchmal seine Art war, erhitzt nach einem Spaziergang durch die Felder. Margot entdeckte ihn in der Großen Halle und schleppte ihn auf die Terrasse. Dort begegneten sich unsere Blicke, und er ergriff meine Hand, wie er es immer tat, doch ich spürte, dass er sich unbehaglich fühlte. Er war stiller als sonst. Er wirkte geistesabwesend.
Aber das galt nicht nur für Tom. In jenem Sommer wirkte alles anders. Der sorglose Leichtsinn früherer Jahre war etwas Intensiverem gewichen, die kleinen Dramen und Flirts der Vergangenheit hatten ihre Lebendigkeit verloren. Plötzlich wirkte alles düster und ein wenig bedrückend. Mir kam es vor, als träfen zu viele Sehnsüchte aufeinander.
Es war ein Sommer der Geheimnisse. Manche kannte ich selbst, über andere stolperte ich zufällig, wieder andere hätte ich niemals vermutet. Im Rückblick war es schwer zu glauben, wie kurz die Zeit gewesen war, begrenzt durch Tod und drohenden Krieg; nur wenige Wochen vergingen zwischen der Ankunft des Professors und der Nacht des Rosenballs.
Der Professor traf als Erster in Hannesford ein. Sir Robert hatte ihn dazu gedrängt, die Arbeit an der Schmetterlingssammlung fortzusetzen. Ich freute mich, ihn wiederzusehen. Mir gefielen seine altmodische Höflichkeit und freundliche Gelassenheit. In jenen ersten Sommertagen, bevor nach und nach die anderen Gäste eintrudelten, besuchte ich ihn oft spätabends in der Bibliothek und lauschte seinen Ansichten über Schmetterlinge und Motten. Es tat gut, ihm einfach zuzuhören.Er war ein genauer Beobachter, wie ich wusste, doch schenkte ich dieser Eigenschaft keine große Beachtung. Wir möchten gern glauben, wir könnten unsere eigenen Geheimnisse bewahren.
Dann kam Harry nach Hannesford, lebhafter denn je und vielleicht noch attraktiver, beflügelt von seinen gesellschaftlichen Triumphen. Ich hatte ihn vier Monate lang nicht gesehen und fand, dass er sich verändert hatte. Zuvor war Harry nur ein Element in der Landschaft von Hannesford gewesen – gewiss ein sehr bedeutendes Element, das sich aber in die Proportionen seiner Umgebung einfügte. In jenen Monaten aber schien er gewachsen zu sein, so dass es beinahe unangenehm war, ihn hierzuhaben. Wohin ich auch ging, welche Aufgabe ich auch übernahm, ich konnte seiner Gegenwart nicht entfliehen. Alle redeten von Harry, er füllte das ganze Haus. Wenn er sich nach dem Abendessen zu den Damen auf die Terrasse gesellte, dominierte er alles; und wenn er beiseitetrat, um eine Zigarette zu rauchen, wirkte die Terrasse plötzlich leer.
Als Nächster kam Reggie nach Hannesford, verschlossen und schweigsam wie eh und je, und mir kam der Gedanke, dass er irgendwie dahinschwand, während Harry immer präsenter wurde. Manchmal war er kaum mehr als ein Schatten, der früh aufstand und seine Tage in entlegenen Winkeln verbrachte, Krähen schoss oder Kaninchen jagte. Dann kam Margot mit den Flinders-Schwestern, danach Freddie Masters und schließlich Julian Trevelyan.
Ich spürte vom ersten Augenblick an, dass sich Julians Verhalten gegenüber Margot verändert hatte. Er war immer ihr bedeutendster Verehrer gewesen und allmählich ihr Favorit geworden, der sich seiner Position sicher war und die Albernheiten der anderen lässig tolerierte. In jenem Sommer aber tat sich etwas. Margot würde ihm gehören, und das ließ Julian die anderen auf subtile Weise spüren. Es war der Sommer, in demer seine Macht herauskehrte, und zwar auf eisige und ziemlich rücksichtslose Weise.
Zum Schluss kam Tom, und ich fragte mich, wie sich die Veränderung auf ihn auswirken würde. Doch ich sah ihn nicht häufiger, sondern seltener. Er war liebenswürdig wie immer, aber nicht mehr so oft dabei. Er verbrachte viel Zeit allein.
Als ich merkte, dass er sich von allem zurückzog, war ich nicht verständnisvoll, sondern ungeduldig. Ich fühlte mich zunehmend ruhelos. Es reichte mir nicht mehr, wahrgenommen zu werden und mich ein wenig vom Hintergrund abzuheben. Ich brauchte mehr als das, um zu existieren. Wenn Tom mich mit einem Lächeln begrüßte, fühlte ich mich nicht mehr leichter oder stärker oder klüger, sondern spürte nur, wie mir der Sand des Lebens zwischen den Fingern zerrann.
Ich hatte bereits begonnen, Erkundigungen einzuziehen. Ich
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