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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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haben.«
    »Gefangene?«, fragte Maclean belustigt. »Waren die auch Teil der Abmachung?«
    Freddie schüttelte feierlich den Kopf. »Ganz und gar nicht. Aber nachdem sie die Würstchen probiert hatten, bliebendie meisten lieber da, weil sie auf einen Nachschlag hofften.«
    Die Geschichte war ein großer Erfolg, und Sir Robert lachte schallend. Er sagte, Freddie sei ein echter Witzbold, und belohnte ihn mit einem Klaps auf den Rücken, als sie sich vom Tisch erhoben. Doch als ich Freddie Masters später am Abend in der Bibliothek antraf, wo das Feuer im Kamin fast niedergebrannt war und den Raum in tiefe Schatten tauchte, wirkte er nachdenklich.
    »Mal ehrlich, Freddie, warum erzählst du solche Geschichten? Ich habe noch nie einen derartigen Unsinn gehört.«
    »Ach ja?« Er lehnte sich vollkommen ungerührt in seinem Sessel zurück. »Ist aber eine gute Geschichte, das musst du zugeben. Es gab auch wirklich mal so ein Gerücht. Und Wiggins war in der Tat ein kluger Kopf.«
    »Und wie habt ihr nun die ganzen Gefangenen gemacht, ohne eigene Verluste zu erleiden?«
    Er verzog das Gesicht. »Du willst die Wahrheit hören? Die ist leider weniger schön. Wir rückten gerade vor, als die Reste der deutschen Artillerie das Feuer eröffneten und ihre eigenen Linien trafen. Sie ballerten ewig lange drauflos. Als wir schließlich hinüberschlenderten, waren die Männer entweder tot oder zu betäubt, um auch nur die Hände zu heben. Arme Schweine.«
    Er hielt inne und wiegte sein Brandyglas sanft in der Hand. »Weißt du, was ich 1919 gelernt habe?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Dass Typen wie Mapperley gern saublöde Fragen stellen, es einem aber nicht danken, wenn man sie beantwortet. Jedenfalls nicht wahrheitsgemäß.«
    »Aber ist es nicht an uns, ihnen die Wahrheit zu sagen? So unerfreulich sie auch sein mag?«
    Freddie Masters blickte mich durch den Zigarettenrauch an und zuckte mit den Schultern. » Du kennst die Wahrheit, Tom. Ich kenne die Wahrheit. Oder zumindest Teile davon.Aber Leute wie Mapperley und Sir Robert? Ich bezweifle, dass sie sie jemals kennen werden.«
    Wie er so dasaß in seiner makellosen Abendkleidung, schlank und elegant, wirkte er nicht wie ein Mann, der einen Schützengraben auch nur aus der Ferne gesehen hatte.
    »Und weißt du, warum?«, fuhr er fort. »Weil sie sie nicht kennen wollen. Sie schicken ihre kostbaren Söhne weg, damit sie ihre Pflicht erfüllen und sich ihre Sporen verdienen und die Flagge verteidigen und den König schützen. Wenn du ihnen erklärst, dass sie reihenweise in Löchern gestorben sind, die nach Scheiße stinken, wollen sie das einfach nicht hören. Er ist verbittert, denken sie. Oder sagen, du seist nicht mehr du selbst, und empfehlen irgendein Stärkungsmittel. Oder sie grinsen höhnisch und gelangen zu dem Schluss, dass du etwas von einem Wehrdienstverweigerer an dir hast.« Er schüttelte den Kopf. »Es gibt Tausende und Abertausende Menschen in diesem Land, die ihre Liebsten verloren haben, und sie müssen irgendeinen Sinn darin finden. Glaub mir, die Wahrheit ist so ziemlich das Letzte, was diese Leute hören wollen.«
    Er erhob sich aus dem Sessel und füllte unsere Gläser nach.
    »Es tut mir leid. Ich wollte keinen Vortrag halten. Außerdem, was ist denn schon die Wahrheit?« Er ließ sich wieder in den Sessel fallen. »Sir Robert und die anderen sind die Wächter der ruhmreichen Toten, sie verwalten jetzt die Wahrheit. Sie werden nicht auf uns hören.«
    »Du siehst das ganz schön düster.«
    »Tut mir leid, alter Junge. Ich vergesse gern, dass du als wahrer Sonnenschein zurückgekommen bist. Sag mal, wie schläfst du eigentlich?«
    Die Frage überraschte mich.
    »Es ist doch kein Zufall, dass wir beide gewöhnlich als Letzte ins Bett gehen. Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich bin ein furchtbarer Feigling, was das Schlafengehenbetrifft. Nachdem es vorbei war, habe ich zwei oder drei Monate versucht, gar nicht zu schlafen. Wie ist es mit dir? Süße Träume?«
    »Selten«, gestand ich, verschwieg aber, dass ich den Moment des Erwachens weit schlimmer fand.
    »Und wir sind nicht die Einzigen. Aber man redet nicht darüber. Und selbst jetzt hoffe ich noch, dass mir ein weiterer Brandy hilft, die Nacht zu überstehen. Tut er aber nie.«
    Ich sagte nichts. Mir war wirklich nicht bewusst gewesen, dass Nacht für Nacht in einer Million Träume noch immer die Granaten explodierten.
    »Das Komische ist, da drüben hatte ich überhaupt keine Albträume.

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