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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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im Gange war. Über allem erhoben sich die Berge fast ein wenig verloren in der Ferne, nur hier und da waren ein paar schwache Leuchtfeuer zu sehen, winzige Lichter auf den Gipfeln.
    Als Gobi und ich aus dem Wagen stiegen, ging die Luke des Hubschraubers auf.
    Auch die Frau, die daraus hervorkam, war mir sehr vertraut.
    »Hey, Stormaire«, rief Paula quer über den Landeplatz.Sie trug eine schwarze Skimütze und einen schwarzen Parka und grinste, als hätte sie gerade beim Big-Air-Wettkampf bei den Winter-X-Games gewonnen. Sogar aus dieser Entfernung konnte ich den Bluterguss sehen, den ihr Gobis Tritt in Venedig beschert hatte. »Na, in letzter Zeit ein paar gute Songs geschrieben?«
    Diesmal war ihre Pistole direkt auf Gobi gerichtet.

33
    »Cold Hard Bitch«
    – Jet
    Einen winzigen Moment lang rührte sich keiner von uns. Wir standen einfach nur da, unsere Hosen und Jacken flatterten wie Windsäcke im zugigen Wind hoch über den Lichtern von Zermatt.
    Dann sah ich einen roten Punkt auf Gobis Stirn erscheinen und verfolgte ihn zu einem Mann in einem langen Mantel zurück, der fünfzehn Meter entfernt vom Hubschrauber aus mit einem Laserscope auf sie zielte. Er hatte eine Glatze und ein schmales, mandelförmiges Gesicht, das sich zu einem gepflegten, silbergrauen Ziegenbärtchen verjüngte. Mit dem Bärtchen sah er beinahe satanisch aus.
    Ich brauchte einen Moment, bis ich ihn erkannt hatte, aber dann klingelte es. Bei unserer letzten Begegnung hatte er einen Priesterkragen getragen, war im Canal Grande aus einem Reisekoffer herausgeplatzt und hatte trotz der vielen Kugeln, die auf ihn abgefeuert worden waren, die Augen aufgemacht. Gobis Ziel, der Auftrag, den sie vermasselt hatte. Ich sah an ihrer leicht veränderten Haltung, dass sie ihn ebenfalls erkannt hatte.
    Du hättest ihn schon in Venedig erledigen sollen, dachte ich.
    Der Mann grinste uns beide amüsiert an, und im Schein der Innenbeleuchtung des Hubschraubers sah ich, wie sich seine Mundwinkel versteiften wie das unwillkürlicheZucken einer Wunde im Zeitraffer. Ich richtete den Blick wieder auf den roten Punkt auf Gobis Stirn. Mit dem Gewehr und der Pistole waren mindestens zwei Waffen auf sie gerichtet, vielleicht auch mehr, falls Paula irgendwo noch einen anderen Scharfschützen postiert hatte. So, wie wir beide dort schutzlos auf dem Landeplatz standen, umgeben von Bergen und Dächern, kam einem diese Vorstellung kein bisschen paranoid vor.
    Es hatte angefangen zu schneien. Weiße Flocken trudelten vom Himmel, kleine zuckerwattige Fäden und Spiralen wirbelten fast schwerelos durch die Lichtkegel der Landescheinwerfer. Im Licht der Laserzielvorrichtung sahen sie beinahe märchenhaft aus.
    »Paula«, rief ich durch das Dröhnen des Hubschraubers. »Wo ist meine Familie?«
    »In Sicherheit«, antwortete sie. »Noch.«
    »Wo?«
    »Ach weißt du, ich dachte mir, wir nehmen mal eine kleine Auszeit voneinander.« Ihr Blick wechselte kurz zu Gobi hinüber. »Lernen andere Leute kennen.« Sie zuckte bedauernd die Achseln. »Es liegt wirklich nicht an dir. Es ist meine Schuld.«
    »Wie du meinst.«
    »Hey.« Paula verzog das Gesicht zu einer lustigen Grimasse. »Aber es war doch sehr schön mit uns beiden.«
    Ich sah Gobi an. Sie hatte den Kopf weggedreht, weshalb ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, aber selbst wenn, hätte ich wahrscheinlich nicht daran ablesen können, was in ihr vorging. Sie hatte immer noch die Maschinenpistole aus Erichs Haus, aber ich wusste nicht, wie viel Munition noch drin war. Selbst wenn sie noch voll gewesen wäre, warenwir den anderen hoffnungslos unterlegen. Womöglich hätte sie einen der Schützen ausschalten können, aber nicht beide, und diese Kevlar-Weste konnte gegen einen Kopfschuss aus fünfzehn Metern Entfernung auch nichts ausrichten.
    »Sobald wir hier mit Gobi weg sind«, rief Paula, »kriegst du einen Anruf. Deine Eltern und deine Schwester werden unversehrt freigelassen.«
    »Und wenn ich dir nicht glaube?«
    »Wer sagt, dass du eine Wahl hast?«
    Damit lag sie nicht ganz falsch. Es schneite jetzt stärker, dicke Flocken verklebten meine Wimpern. Ich wischte sie weg und atmete so tief ein, dass mir die kalte Luft in den Lungen weh tat.
    »Wer hat jetzt das Sagen, wo Armitage tot ist?«, fragte ich.
    Ihr adrenalisiertes Grinsen blitzte wieder auf. Wieso war mir vorher nie aufgefallen, wie weiß ihre Zähne waren?
    »Kommt drauf an«, sagte Paula, »wer am Schluss Gobi hat.«
    »Was soll das heißen?«
    Paula blickte

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