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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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anerkennend zu Gobi hinüber. »Sie ist eine menschliche Waffe, Stormaire. Der beste Söldner, den es gibt. Ein überaus seltenes Exemplar. Armitage hat ihr Können sträflich unterschätzt und mit seinem Leben dafür bezahlt. Ich werde diesen Fehler nicht machen.«
    »Sie ist doch nicht programmierbar«, sagte ich. »Sie ist keine Maschine, die tut, was man ihr sagt.«
    »Ich denke schon. Sobald sie erfährt, was ich ihr zu bieten habe.«
    »Was soll das sein?«
    »Jedenfalls deutlich mehr, als du ihr jemals bieten könntest.«
    »Sie bringt niemanden für Geld um, Paula.«
    »Du setzt dich für sie ein. Wie galant.«
    Bisher hatte Gobi noch kein einziges Wort gesagt. Irgendwie erwartete ich ständig, dass sie sich plötzlich in Bewegung setzen, Kugeln ausweichen und das Feuer auf Paula und den Hubschrauber eröffnen würde. Auch Paula muss darauf gewartet haben. Ihr Grinsen verschwand, und ihr Blick wurde kalt, und als sie wieder zu reden anfing, war ihre Stimme lauter und schneidender, die Verkündung eines Ultimatums, mit der das Geplänkel beendet war.
    »Gobija Zaksauskas«, sagte Paula.
    Gobi rührte sich nicht.
    »Es sieht folgendermaßen aus: Wenn du etwas anderes unternimmst, als deine Pistole auf den Boden zu legen und mit mir mitzukommen, wird Perrys ganze Familie auf die schlimmste Weise sterben, die du dir vorstellen kannst.« Paula hielt die Pistole nach wie vor auf Gobi gerichtet. »Ich sage es noch einmal. Entweder du kommst jetzt mit uns mit, oder ich töte Perry und seine Familie. Hast du irgendwas von diesem Szenario nicht verstanden?«
    Niemand sagte etwas. Ich merkte, dass ich den Atem anhielt. Wir alle wussten, was auf dem Spiel stand. Falls diese Nacht noch ein Wunder für uns bereithielt, so betete ich darum, dass es jetzt geschah.
    Gobi hob die Maschinenpistole, drehte sich um und sah mich an.
    » As atsiprasau «, sagte sie. »Tut mir leid, Perry.«
    »Warte«, rief ich. »Warte –«
    Paula wirkte eine Spur nervöser hinter ihrer Pistole undmachte sich bereit. Ich sah, wie sich der glatzköpfige Scharfschütze im Hubschrauber hinter seinem Gewehr zusammenkauerte. Der rote Punkt auf Gobis Kopf blieb absolut ruhig zwischen ihren Augen, das Interpunktionszeichen, das letztendlich irgendwo auf uns alle wartet.
    Aber schließlich legte Gobi ihre Waffe auf den Boden und ging auf den Helikopter zu. Ohne sich umzudrehen, stieg sie ein.
    Der Hubschrauber hob ab und flog davon. Ich blieb alleine auf dem Dach stehen.

34
    »I Will Buy You a New Life«
    – Everclear
    Eine halbe Stunde später war ich wieder mitten in Zermatt. Das Feuer im Hotel Schöneweiß war endlich gelöscht, aber die Hauptstraße roch immer noch wie der größte Aschenbecher aller Zeiten. Überall gingen angekokelte Nikoläuse durch die Straßen, die sich benommen die Augen rieben, und die angesengte ClauWau-Fahne baumelte traurig an einem der Gebäude herab. Die blauen Blinklichter von Polizei und Feuerwehr wurden von der geschwärzten Fassade des alten Schnapsladens zurückgeworfen, der bereits von Rettungsmannschaften abgeriegelt war. Unter einem Haufen Backsteinen lag ein umgekippter Schlitten halb begraben. Ein Rentier senkte den Kopf, um aus einer schwarzen Pfütze zu trinken, in der eine Nikolausmütze schwamm.
    Wo ich auch hinsah, standen Schweizer Polizisten und Soldaten mit leistungsstarken LED-Taschenlampen, mit denen sie den Vorübergehenden in die Gesichter leuchteten. Augenzeugen wurden an der Hauswand gesammelt und um ihre Papiere gebeten.
    Ich drehte um und stahl mich in die andere Richtung durch eine Gasse davon, verschwand in der Dunkelheit.
    In sicherer Entfernung zog ich das Geldbündel, das mir Gobi gegeben hatte, aus der Tasche und zählte die Scheine mit leicht zitternden Händen. Es waren ein paar Hundert Euro, außerdem hatte ich noch den gefälschten Pass, densie mir in Italien gegeben hatte, mit einem Foto aus dem Automaten am Bahnhof. Das Gesicht, das darauf zu sehen war, erkannte ich kaum als meines wieder. Ich hätte mit irgendeinem Zug wegfahren können, wenn ich nur den geringsten Schimmer gehabt hätte, wohin.
    Andererseits konnte ich auch einfach aufgeben. Die weiße Fahne schwenken. Mich ergeben. Der Gedanke war noch nie so verlockend gewesen. Selbst wenn ich meine Familie zurückbekam, wie würde mein Leben in den USA wohl aussehen? Stand so etwas wie »normal und gewöhnlich« überhaupt noch zur Debatte? Hatte diese Option je bestanden?
    Ein schwerfälliges, scharrendes Platschen ertönte

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