Wiedersehen in Stormy Meadows
der Möwen. Über mir wölbt sich der eisblaue Himmel, an dem dunkelgraue Wolken mit von der Abendsonne verliehenen orange-golden glühenden Rändern ziehen.
Fast wieder zu Hause angekommen, sehe ich unten am Strand einen Mann, der mit seinem Hund spielt und einen Stock ins Meer schleudert. Das Tier stürzt sich in die Fluten, und jedes Mal, wenn es zu seinem Herrchen zurückkommt, schüttelt es sich erst einmal gründlich, bevor es den Stock abliefert, der natürlich sofort wieder geworfen werden soll. Der Mann wird dabei klatschnass, lacht aber, und sein Lachen wird vom Wind zu mir heraufgetragen. Er hat seine Timberlands ausgezogen, der Saum seiner Jeans berührt immer wieder den Sand und das Wasser, sodass die unteren Hosenbeine viel dunkler sind als der Rest. Er trägt einen dicken Wollpullover, und sein kurzes, goldbraunes Haar schimmert im Licht der Sonne.
Connor.
Ich verlasse den Pfad, setze mich an die Felskante und sehe ihm eine Zeit lang zu, verliere mich völlig in der perfekten Schönheit des Tages und der Welt um mich herum.
Dann setzt auch Connor sich. Im Schneidersitz macht er es sich im Sand bequem und beobachtet den Sonnenuntergang. Mac legt sich neben ihn, schmiegt den Kopf in seinen Schoß. So automatisch und unbewusst, wie man atmet, streichelt Connor seinem treuen Begleiter über den Kopf.
Wie ich ist er völlig versunken in die uns umgebende Schönheit, sitzt regungslos da. Auf einmal habe ich das Gefühl, in seine Privatsphäre eingedrungen zu sein. Ich stehe auf und gehe auf den Pfad zurück. Doch kaum dort angekommen kehre ich wieder um.
Connor sitzt immer noch da. Nur Mac hat die Position verändert und sieht nachdenklich zu mir herauf. Genauso nachdenklich, wie sein Herrchen der Sonne dabei zusieht, wie sie im Meer versinkt und das strahlende, warme Orange sich mit dem kühlen Dunkelgrün vermengt.
13
A ls ich nach Hause komme, ist Petra dabei, zu packen.
»Hast du vor, dich bei Nacht und Nebel davonzustehlen und die Zeche zu prellen?«, frage ich sie.
Sie grinst mich an. »Ganz genau, aber erzähl das besser nicht dem Management. Ich habe gehört, das soll schlimmer sein als die Mafia.«
»Warum bleibst du nicht noch über Silvester? Du weißt doch – die Party?«
Sie schüttelt die roten Locken. »Danke. Aber nein danke.«
»Was hast du an Silvester vor?«
»Keine Sorge, Süße, ich werde nicht allein sein. Ich habe heute eine Entscheidung getroffen und ein paar Telefonate geführt. Und jetzt will ich ein paar Tage zu Hause verbringen.«
»Zu Hause?«
»In New York.« Sie nickt. »Morgen Abend fliege ich ab Heathrow. Den Mitternachtscountdown werde ich mit einem bunten Haufen Menschen auf dem Times Square erleben.«
»Wow. Klingt aufregend.«
Aus zusammengekniffenen Augen sieht sie mich an. »Willst du mitkommen?«
Langsam schüttle ich den Kopf.
»Soll das heißen, dass du nicht mit willst oder dass du nicht mit kannst? « Sie stützt die Hände in die Hüften.
»Beides, glaube ich.«
»Du meinst, du kannst Cassie nicht hier allein lassen?«
Ich setze mich auf das Sofa und lege eins ihrer T-Shirts zusammen. »Ich kann nicht, und ich will nicht. Weißt du was? Mir gefällt es hier richtig gut, Petra. Ich bin in den letzten Wochen hier glücklicher gewesen als je zuvor, seit Rob gestorben ist. Kaum zu glauben, was? Nach allem, was ich damals auf mich genommen habe, um hier wegzukommen.«
»Die Dinge ändern sich«, entgegnet Petra schlicht. »Menschen ändern sich. Und vor allem ihre Prioritäten. Manche Sachen, die einem mal furchtbar wichtig waren …« Sie bekommt einen wehmütigen Blick, reißt sich dann aber wieder zusammen und packt weiter. »… sind es plötzlich nicht mehr.«
»So wie Peter?«
»Ja, so wie Peter.«
»Was hast du vor?«
»Wenn ich im Flieger von London nach New York sitze, sitzt Peter im Flieger von New York nach London.« Sie lächelt süffisant. »Wenn ich bei seiner Rückkehr nicht da bin und ihn nicht wie ein treudoofer Labrador erwarte, wird er’s wohl kapieren.«
»Bist du dir da so sicher?«
»Vollkommen sicher.« Sie nickt entschieden. »Ich habe keine Lust mehr, sein Schoßhündchen zu spielen. Und mal im Ernst: Petra und Peter? Die beiden Namen zusammen? Geht ja wohl gar nicht.« Ich bin sicher, dass sich hinter Petras Humor eine große Traurigkeit verbirgt. Seit mindestens drei Jahren ist sie mit Peter liiert. Drei Jahre sind eine lange Zeit.
Sie legt das letzte Kleidungsstück in ihre Tasche, und ich schließe den
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