Wiedersehen in Virgin River
deiner.“
„John, hör auf, so etwas zu sagen. Von allen Menschen war es am allerwenigsten dein Fehler.“
„Du bist jetzt so gut wie frei.“
„Frei. Ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll.“
„Ich denke, du wirst zurück nach L. A. wollen?“, fragte er sie.
„Ich weiß nicht. Dort gibt es so viele schlimme Erinnerungen.“
„Wenn du einen Platz brauchst, wo du eine Weile bleiben kannst, um in Ruhe über alles nachzudenken – das Zimmer mit dem Speckgeruch am Morgen steht dir so lange du willst zur Verfügung.“ Sehr leise und eher zu sich selbst gesprochen fügte er noch hinzu: „Dein Leben lang, wenn du magst.“
„Ich könnte aushelfen.“ Verschlafen lächelte sie mit geschlossenen Augen. „Den Abwasch übernehmen.“ Ihre Augenlider flatterten ein wenig, aber es gelang ihr nicht, sie aufzumachen.
Er strich ihr das Haar zurück. „Jack will ein Haus bauen“, sagte er. „Das wird ihn vom Geschäft fernhalten. Hilfe kann ich immer gebrauchen. Du und Christopher …“
„Hmm.“
„Okay“, unterbrach er sich. „Du bist erledigt. Du musst schlafen.“
„Hmm.“
Er beugte sich über sie und berührte sacht mit den Lippen ihre Stirn. „Morgen früh komme ich zurück, um dich abzuholen.“
„Okay.“
Als er schon gehen wollte, sprach sie ihn noch einmal an: „John?“
Er drehte sich wieder zu ihrem Bett.
„Wäre das denn möglich? Könnte ich bleiben, bis es mir wieder besser geht?“
Auf einmal wurde ihm die Brust ganz eng, so, als könnte sie zerspringen. Er bemühte sich, keine Hoffnung aufkommen zu lassen, aber das war unmöglich. „Natürlich. Ich freue mich, wenn du da bist. Alle freuen sich, wenn du da bist.“
„Es ist schön dort“, sagte sie, und dann fielen ihr die Augen zu.
7. KAPITEL
W ieder einmal hatte Paige sich in dem Zimmer über der Küche vergraben, aber diesmal waren ihre Verletzungen nicht ganz so schlimm. Ein paar Tage sollte sie im Bett bleiben, um sich von der Ausschabung zu erholen, und wenn ihre Nase auch geblutet hatte, so war sie wenigstens nicht gebrochen. Während sie sich ausruhte, wachte Preacher über Christopher. Brie half aus der Ferne, einen Anwalt in L. A. an den Start zu bringen, der im Hinblick auf die bevorstehende Gerichtsverhandlung Einspruch gegen den Beschluss einlegte, mit dem Christopher seinem Vater zurückgebracht werden sollte. Drei Tage später hinterlegte Wes Lassiter eine Kaution und ging zurück nach Los Angeles, um seine Arbeit wieder aufzunehmen, bevor sein Arbeitgeber Wind von der Verhaftung bekam. Was das betraf, wollte Preacher sich aber nicht auf das Wort von Lassiters Anwalt verlassen. Er rief Mike Valenzuela an, der gerne bereit war – wenn nötig auch zweimal am Tag –, das zu überprüfen und sicherzustellen, dass Lassiter mehrere Hundert Kilometer weit von Virgin River entfernt tatsächlich seiner Arbeit nachging.
Es sah ganz so aus, als könnte sich das Leben zumindest bis zur Gerichtsverhandlung beruhigen, aber dann wurde Mel von einer Patientin überrascht, mit der sie nicht gerechnet hatte. Eine Patientin und ein Umstand, den sie niemals erwartet hätte.
Doc war unterwegs zum Angeln, als ihre Freundin Connie in die Klinik kam. Connie war Anfang fünfzig, eine gutmütige kleine rothaarige Person, die sich noch immer von ihrer Bypassoperation im letzten Mai erholte, aber schon fast wieder ganz die Alte war. Begleitet wurde sie von ihrer Nichte Liz. Mels erste Reaktion auf ihren Anblick war ein strahlendes Lächeln, das allerdings erfror, als ihr auffiel, wie Liz die Augen niedergeschlagen hielt. Und als sie ihren Blick dann nach unten streifen ließ und die sehr leichte Rundung ihres Bauches bemerkte, fühlte Mel ihr Herz sinken. Oh-oh. Sie schielte zu Connie hinüber und sah, wie ihre Freundin das Gesicht verzog und dann hilflos die Schultern zuckte.
Ungefähr zur selben Zeit, als Mel im letzten Frühling nach Virgin River gekommen war, hatte auch Connies Schwester ihre Tochter Liz von Eureka hergeschickt. Im März. Der Grund dafür war, dass Liz ein schwieriges Kind war, so schwierig, dass Connies Schwester nicht mehr mit ihr fertig wurde. Angeblich sei sie in Eureka verwildert. Sowohl Connie wie auch ihre Schwester hatten die Vorstellung, dass Virgin River beruhigend auf das Mädchen einwirken könnte oder zumindest doch weniger Möglichkeiten bot, in Schwierigkeiten zu geraten, als dies in der wesentlich größeren Stadt Eureka der Fall war. Als Connie dann aber im Mai einen Herzanfall
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