Wiedersehen in Virgin River
jetzt gehen“, sagte sie.
„Setz dich hin“, fuhr Bud sie an, und Preacher stand – was selten vorkam – kurz davor, sich zu vergessen.
So ruhig wie möglich reichte er Chris seiner Mutter zurück, lehnte sich mit abgestützten Händen über den Tisch und brachte sein Gesicht so nahe an das von Bud heran, dass dieser tatsächlich ein wenig nach hinten auswich. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, dass Paige mit ihrer Tasche auf der einen Schulter und Chris an der anderen schon zur Haustür ging. „Auf die Steaks werden wir verzichten“, erklärte er in einem deutlich drohenden Flüsterton. Dann nahm er die Gabel, die er in der Hand geknetet hatte, und bemerkte, dass sie ein wenig verbogen war. Also verbog er sie nun ganz, indem er sie mit einer kräftigen Hand in der Mitte zusammenfaltete, und ließ sie anschließend in Buds Salat fallen. „Nicht nötig, dass du aufstehst.“
Paige hatte den Weg zum Truck bereits zur Hälfte hinter sich gebracht, als Preacher sie einholte, und schon kamen auch die Frauen aus der Tür geflattert und riefen nach ihr. Ohne auch nur die geringste Erfahrung mit so etwas zu haben, denn nie zuvor war er in einer solchen Position gewesen, wusste Preacher, was da vor sich ging. Sie würden für Bud nach Rechtfertigungen suchen, sich vielleicht sogar für ihn entschuldigen und Paige wahrscheinlich bitten wiederzukommen. Er legte ihr weich die Hand auf die Schulter, sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Vorsichtig nahm er ihr Chris ab und sagte: „So. Sag du auf Wiedersehen. Wir machen uns schon mal fahrbereit.“
Paige blieb dann noch mit den Frauen auf dem Weg stehen, während er Chris auf dem Kindersitz anschnallte. Beide Frauen hielten Paige an einer Hand fest, aber sie befreite sich aus ihrem Griff.
„Lass mich mal deinen Arm sehen, Kumpel“, wandte sich Preacher an Chris. „Ach, das wird schon wieder heilen. Hey, wie wär’s denn mit Pfannkuchen? Frühstück zum Abendessen, hm?“
Chris nickte und schluckte ein paar Tränen hinunter. Mit seinen großen Daumen wischte Preacher sie ihm unter beiden Augen weg. „Ja, Pfannkuchen. Und dazu Kakao.“ Chris nickte noch einmal und hatte schon wieder ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Preacher setzte sich auf den Fahrersitz und wartete, während er Paige zusah, wie sie beide Frauen schließlich umarmte und dann schnellen Schrittes auf den Truck zuging. Sie stieg ein, und er hatte die Bordsteinkante schon verlassen, bevor sie noch ihren Sicherheitsgurt anlegen konnte.
Sie fuhren ein Weilchen, dann sagte Preacher: „Chris und ich, wir denken an Pfannkuchen. Und Kakao.“
Sie seufzte tief. „Ich hatte ernsthaft überlegt, ob ich versuchen könnte, es ihnen zu erklären“, sagte sie. „Und warum ich wirklich nicht wollte …“
Über die Konsole hinweg griff er nach ihrer Hand, zog sie dort hinauf, wo er sie festhielt und einmal leicht drückte. Lächelnd schüttelte er den Kopf und sah sie an. „Ist okay“, formten seine Lippen die Worte, ohne sie auszusprechen. Ihre Hand ließ er nicht wieder los. „Nach den Pfannkuchen würde ich dann gerne kurz im Krankenhaus vorbeischauen, um zu sehen, ob es bei Mike etwas Neues gibt.“
„Natürlich“, sagte sie.
Wieder schwiegen sie einen Moment, dann sagte Preacher: „Weißt du, meine Mutter – sie war deiner Mutter ganz ähnlich. Dünn, aber viel stärker, als sie aussah. Mit zwölf war ich schon über ein Meter achtzig groß. Wahrscheinlich habe ich meine Mutter bereits in der fünften Klasse überragt. Aber meine Mutter, diese Kirchenfrau, sie hatte da einen Trick. Sie konnte so weit hochreichen, dass sie mich oben am Ohr zu packen bekam, und das drehte sie dann um. Immer wenn ich fluchte oder spuckte oder mich respektlos benahm, hat sie mich so schnell, dass ich es nie kommen sah, am Ohr gezogen und mich in die Knie gezwungen. Noch eine Woche vor ihrem Tod hat sie mich so auf den Boden gezogen. Ich glaube, sie hatte das bei den Nonnen gelernt. Ein paar von denen waren so bissig wie die Kettenhunde. Aber sie hat sich durchgesetzt.“ Er drückte ihre Hand. „Ich habe nicht den Eindruck, dass deine Mom diesen Trick perfektioniert hat.“
Paige lachte leise.
„Paige, als du da eben aufgestanden und einfach gegangen bist, ich war so schrecklich stolz auf dich. Wirklich, du bist stärker, als du scheinst.“
Sie seufzte. „Ich hätte viel früher aufstehen und gehen sollen. Ich stand die ganze Zeit kurz davor.“
„Ich auch“, sagte er. „Ich denke, dass wir
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