Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
am Dienstag, wenn der Richter das Urteil über seine vorzeitige Haftentlassung sprach, mal wieder alle Zeitungen zieren würde. Es war wirklich lächerlich, dass eine furchtbare Fehlentscheidung – ja, er hatte Mist gebaut, das gab er offen zu – so viel Aufsehen erregt hatte. Gesetze wurden jeden Tag gebrochen. Okay, in seinem Fall mehrere Bundesgesetze, aber trotzdem.
Kyle ignorierte den Artikel im Wall Street Journal . Er brauchte sich die sensationslüsternen Einzelheiten nicht durchzulesen. Er war sich vollkommen darüber im Klaren, was er getan hatte – verdammt, die ganze freie Welt wusste, was er getan hatte! Juristisch ausgedrückt war er verurteilt worden, weil er wiederholt schadhafte Codes elektronisch übertragen hatte, um Schaden an geschützten Computern zu verursachen. In technischen Begriffen – eine Sprache, die er der juristischen vorzog – hatte er vor fünf Monaten mithilfe eines sogenannten Botnets, einem Netzwerk aus Computern, die durch Schadprogramme infiziert worden waren, ohne das Wissen oder die Einverständnis ihrer Besitzer eine DoS-Attacke gegen ein globales Kommunikationsnetzwerk durchgeführt.
Oder, wie der Mann von der Straße sagen würde, er hatte im Zuge der zweifellos dämlichsten Entscheidung seines Lebens Twitter gehackt und die Seite zwei Tage lang lahmgelegt.
Und alles nur wegen einer Frau.
Er hatte Daniela, ein in New York ansässiges Victoria’s-Secret- Model, bei einer Kunstausstellung eines gemeinsamen Freundes in SoHo kennengelernt, und sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden. Sie war nicht nur wunderschön, sondern besaß auch einen Sinn für Kunst und Fotografie. Über dieses Thema konnte sie sich stundenlang leidenschaftlich unterhalten. Und sie nahm sich selbst nicht zu ernst. Sie hatten das gesamte Wochenende in New York miteinander verbracht. Es war ein Wirbelwind aus Sex, Restaurants, Bars und Spaß gewesen – und nach mehr hatte Kyle zu dieser Zeit auch nicht gesucht.
Danach hatten sie eine Art lockere Fernbeziehung begonnen, und Kyle war in den nächsten paar Monaten ein paarmal nach New York geflogen, um Daniela zu besuchen. Schließlich hatte die Klatschpresse begonnen, über ihre Beziehung zu berichten. Das Supermodel und der Milliardärserbe.
»Kaum zu glauben. Mein Bruder trifft sich mal wieder mit einem Model«, hatte Jordan am Telefon gesagt, nachdem sie etwas über ihn und Daniela in der Klatschkolumne der Tribune gelesen hatte. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, dein Beuteschema zu ändern?«
»Warum sollte ich?«, hatte er trocken geantwortet. »Ich gehe gerne mit Models aus.«
»Nicht gerne genug, um eines von ihnen mir oder Dad vorzustellen«, hatte sie zurückgeschossen.
Seine Schwester hatte schon immer die lästige Angewohnheit gehabt, genau ins Schwarze zu treffen.
Es stimmte, dass er noch nie eine längere Beziehung gehabt hatte, und dafür gab es einen einfachen Grund: Er mochte es, Single zu sein. Und das zu Recht. In den vergangenen neun Jahren hatte er sich in der Firma seines Vaters eingelebt und war die Karriereleiter bis zum stellvertretenden Geschäftsführer der Netzwerksicherheit aufgestiegen. Er arbeitete hart, feierte aber auch gerne, und er sah keinen Grund, warum er sich an eine einzelne Frau binden sollte. Er hielt alles gerne locker und versprach nie mehr als eine gute Zeit, solange die Sache lief.
Aber dennoch nagte Jordans Bemerkung an ihm. Das Junggesellendasein begann sich ein wenig … schal anzufühlen. Natürlich hatte ein Mann in seiner Position niemals Probleme, Frauen kennenzulernen, aber er fing an, sich zu fragen, ob ihm flüchtige Affären und heiße One-Night-Stands auf Dauer genug waren. Er hatte immer angenommen, dass er schon irgendwann sesshaft werden würde – er war in einer glücklichen, liebevollen Familie aufgewachsen und wusste, dass er das selbst auch einmal haben wollte –, also dachte er sich, dass es vielleicht an der Zeit sei, ein paar Schritte in diese Richtung zu machen.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf hatte er begonnen, mehr Wochenenden mit Daniela zu verbringen, entweder indem er sie in New York besuchte oder indem er ihr den Flug nach Chicago bezahlte. Er war nicht so naiv zu glauben, dass ihre Beziehung perfekt war, aber in den neun Jahren, in denen er sich mit vielen Frauen getroffen hatte, war noch keine dabei gewesen, die perfekt zu ihm gepasst hatte. Also ignorierte er diese Bedenken – schließlich konnte es einen Mann schlimmer treffen, als regelmäßig ein
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