Wiedersehen macht Liebe (German Edition)
Stunden später wartete er in einem kleinen, leeren Unterrichtsraum. Er stand am Fenster und blickte auf den Campus hinaus, während er darauf wartete, dass der erste Kandidat eintraf. Als er hörte, wie die Tür geöffnet wurde, drehte er sich um.
Ein junger Mann Anfang zwanzig mit roten Locken, heller Hose und Hemd betrat den Raum. Er sah Kyle und blieb stehen. »Okay … Das ist nicht gerade das, was ich erwartet hatte.«
Kyle ging auf ihn zu und stellte sich vor. »Kyle Rhodes.«
»Gil Newport.«
Kyle deutete auf den Tisch am Fenster. »Nehmen Sie doch Platz!« Er ging davon aus, dass sie die Einleitung weglassen konnten. »Ich vermute, Sie wissen, wer ich bin?«
Gil sah sich im Raum um – wonach er suchte, blieb sein Geheimnis. »Damit liegen Sie richtig«, sagte er vorsichtig.
»Ich habe Professor Sharma gebeten, den Kontakt zwischen uns herzustellen, weil ich für ein unternehmerisches Vorhaben ein Spezialistenteam zusammenstelle.«
»Was für ein unternehmerisches Vorhaben ist das?«, fragte Gil misstrauisch.
»Sicherheitsberatung.«
»Natürlich.« Gil deutete mit den Fingern Anführungszeichen an. » Beratung . Schon klar.«
»Keine Anführungszeichen. Echte, richtige Beratung.« Kyle konnte nicht beurteilen, ob Gil nach dieser Information nun mehr oder weniger interessiert wirkte. »Professor Sharma sagt, dass Sie dieses Semester Ihren Master machen und dass Sie sich in Ihrer Abschlussarbeit auf Angriffserkennung und Verifikation von Sicherheitssystemen und -protokollen konzentrieren.«
Gil zog eine Augenbraue in die Höhe und erwiderte: »Sie scheinen eine Menge über mich zu wissen, Mr Rhodes.«
Kyle unterdrückte ein Schmunzeln. »Ich muss Sie enttäuschen, Gil, aber diese Sache ist hundertprozentig legal. Ich gründe eine Beratungsfirma für Netzwerksicherheit, und habe für jemanden mit Ihren Fähigkeiten eine Position zu vergeben. Wenn Sie interessiert sind, erzähle ich Ihnen gerne mehr darüber.«
Gil überlegte. »Sie meinen es also wirklich ernst.« Er sah Kyle an. »Nichts für ungut, aber Sie haben hier nicht gerade den besten Ruf. Und ich habe bereits sechs Jobangebote, die allesamt äußerst lukrativ sind.«
Kyle winkte ab. »Sollte ich zu dem Schluss kommen, dass Sie qualifiziert sind, kann ich Ihnen mehr zahlen.« Er hatte von Anfang an gewusst, dass er den Kandidaten eine äußert gute Bezahlung anbieten musste, um seine zweifelhafte Vergangenheit auszugleichen.
»Sie wissen doch nicht mal, was mir die anderen Firmen angeboten haben«, entgegnete Gil.
»Ich weiß trotzdem, dass ich mehr zahlen kann«, sagte Kyle. » Wenn Sie es wert sind.«
Gil schien von dieser Bemerkung fast beleidigt. »Oh, ich bin es wert.«
Kyle hielt seinem Blick stand und warf ihm den Handschuh hin. »Dann beweisen Sie es mir.«
Eine Stunde später wartete Kyle auf den zweiten von Sharma empfohlenen Kandidaten – einen einundzwanzigjährigen Studenten namens Troy Leopold, den Sharma als brillant und neugierig beschrieben hatte.
Pünktlich auf die Minute kam ein junger Mann mit stacheligem schwarzem Haar, Lederarmbändern, einer zerrissenen Jeans und schwarzem Kajal um die Augen herein. Er wirkte nicht im Geringsten beeindruckt, als er auf Kyle zutrat und sich vorstellte. »Troy Leopold. Entschuldigen Sie mein legeres Äußeres. Wenn ich gewusst hätte, dass ich heute ein Vorstellungsgespräch habe, hätte ich mein Polohemd angezogen.«
Kyle grinste. Er mochte ihn sofort. »Ich werde mich bemühen, darüber hinwegzusehen.«
Sie setzten sich an den Tisch, und Troy kam gleich zum Punkt. »Ich denke, ich sollte offen mit Ihnen sein. Worum es bei diesem Gespräch auch gehen mag, es ist sehr cool, dass Professor Sharma meinen Namen vorgeschlagen hat. Aber …« Er zögerte, als würde er befürchten, etwas Beleidigendes zu sagen.
Kyle schmunzelte. »Vertrauen Sie mir, Troy, was immer es ist, ich habe es mit ziemlicher Sicherheit schon mal gehört.«
Troy deutete auf Kyles maßgeschneiderten Anzug – die übliche Firmenkleidung. »Ich sehe mich nicht wirklich in der Geschäftswelt. Sie wissen schon, bei einem Job für das Establishment.«
Kyle blinzelte. Vor neun Jahren war er in Troys Position gewesen – nur dass er statt der Lederarmbänder und des Kajals Flanellhemden und Arbeitsstiefel getragen hatte. Nun war er das Establishment.
»Wow! Ich habe gerade einen dieser Momente, in denen mir klar wird, dass ich zu meinem Vater geworden bin.« Kyle klatschte in die Hände und fuhr fort. »Wie
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