Wiedersehen mit Mrs. Oliver
gerade von ihr verabschiedet.«
»Ist selbst auch eine geborene Folliat gewesen, kommt aus Tiverton, war weitläufig verwandt mit der Familie. Und nichts geht ihr über den Garten, hat die ganzen blühenden Sträucher gepflanzt, ja, ja … Sogar im Krieg, als wir hier die Soldaten hatten und die beiden jungen Herren im Feld waren, hat sie sich noch um den Garten gekümmert, und vor allem um ihre Sträucher.«
»Es muss ein schwerer Schlag für sie gewesen sein, beide Söhne zu verlieren.«
»Ja, ja, hat kein leichtes Leben gehabt, Kummer mit ihrem Mann, Kummer mit den beiden jungen Herren … mit Mr Henry nicht, der war ein sehr netter junger Herr, war nach seinem Großvater geschlagen, ist gern gesegelt, und dann ist er ja natürlich auch zur Marine gegangen, aber Mr James hat ihr viel Sorgen gemacht. Schulden und Frauen, ein Tunichtgut, der Mr James … manche kommen so auf die Welt, und aus denen wird auch nichts … aber der Krieg war ihm gerade recht … wie der Fisch im Wasser … manch einer, der im Frieden nicht gut tut, stirbt den Heldentod.«
»Und so gibt es keine Folliats mehr in Nasse House«, sagte Poirot.
Der Redefluss des alten Mannes stockte plötzlich, und er erwiderte nur kurz:
»Wie Sie sagen, Sir.«
Poirot betrachtete den alten Mann verwundert.
»Statt dessen lebt jetzt dort Sir George Stubbs; was halten die Leute in der Umgegend von ihm?«
»Er soll mächtig reich sein, haben wir gehört«, sagte der Alte.
Sein Ton war trocken, fast belustigt.
»Und seine Frau?«
»Eine feine Dame aus London, ja, ja, sehr fein. Vom Garten versteht sie gar nichts, und sie soll auch nicht ganz richtig im Kopf sein.«
Er klopfte sich bedeutungsvoll an die Stirn.
»Aber sie ist immer nett und freundlich, das muss man ihr lassen. Sind erst seit einem Jahr hier, haben das Gut gekauft und alles neu machen lassen. Erinnere mich noch an den Tag, an dem sie hier ankamen – als ob’s gestern gewesen wäre –, nach dem schlimmsten Sturm, an den ich mich erinnern kann, ist’s gewesen. Überall umgestürzte Bäume – rechts und links, einer lag quer über der Einfahrt, den mussten wir erst noch wegräumen, damit das Auto durchkonnte. Und die große Eiche, die da drüben stand, hat viel Unheil angerichtet, hat viele andere Bäume umgehauen – schlimm war das …«
»Ja, das war dort, wo jetzt das Folly steht, nicht wahr?«
Der alte Mann drehte sich zur Seite und spuckte verächtlich aus.
»Folly – auch so eine neumodische Erfindung –, so was hat’s beim alten Folliat nicht gegeben. Das hat sich Lady Stubbs ausgedacht, jawohl. Waren kaum drei Wochen da, als das Ding gebaut wurde; wahrscheinlich hat sie es Sir George eingeredet … ich kann’s nicht leiden, sieht ganz heidnisch aus, da zwischen den Bäumen, mit all den Säulen. Warum nicht ein einfaches Sommerhäuschen? Dagegen hätt’ ich auch nichts.«
Poirot lächelte schwach.
»Die Londoner Damen haben eben besondere Wünsche«, sagte er. »Schade, dass die Tage der Familie Folliat gezählt sind.«
»Glauben Sie nur das nicht!« Der alte Mann kicherte. »In Nasse House wird’s immer Folliats geben.«
»Aber das Haus gehört doch Sir George Stubbs.«
»Schon möglich, aber eine Folliat ist auch noch hier. Und die Folliats sind mit allen Hunden gehetzt, jawohl!«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Der Alte sah ihn von der Seite an.
»Mrs Folliat wohnt doch im Pförtnerhaus, nicht wahr?«
»Hm … ja«, erwiderte Poirot langsam. »Mrs Folliat lebt im Pförtnerhaus, und die Welt ist sehr schlecht, und die meisten Menschen auch.«
Der alte Mann starrte ihn an.
»Ja, ja … da haben Sie vielleicht Recht …«
Damit drehte er sich um und entfernte sich mit schlurfenden Schritten.
»Und was habe ich nun herausgefunden?«, fragte sich Poirot irritiert, während er in der Richtung des Hauses langsam den Hügel hinaufwanderte.
Bevor er zum Abendessen hinunterging, machte Hercule Poirot sorgfältig Toilette; er schmierte parfümierte Pomade auf seinen Schnurrbart und zwirbelte die Enden zu scharfen Spitzen. Dann betrachtete er sich prüfend im Spiegel. Er war mit seinem Anblick zufrieden.
Da tönten Gongschläge durchs Haus, er verließ sein Zimmer und ging die Treppe hinunter.
Der Butler, der soeben seine hochkünstlerische Vorführung beendet hatte – Crescendo, Forte, Diminuendo, Rallentando –, hängte den Schlegel zurück an den Haken. Sein dunkles, melancholisches Gesicht trug einen zufriedenen Ausdruck.
Ein Erpresserbrief von der
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