Wiedersehen mit Mrs. Oliver
ihr behilflich sein zu können … Ein prachtvoller Besitz und ein außergewöhnlich schönes und herrschaftliches Haus!«
Mrs Folliat nickte wohlwollend.
»Er ist vom Urgroßvater meines Mannes im Jahre 1790 erbaut worden. Früher stand hier ein elisabethanisches Haus, das bereits verfiel, als es im Jahre 1700 durch einen Brand völlig vernichtet wurde. Unsere Familie hat hier seit 1598 gelebt.«
Ihre Stimme klang ruhig, fast unbeteiligt. Poirot sah die alte Dame aufmerksam an. Sie war eine sehr kleine, aber kräftige Person in einem etwas schäbigen Tweedkostüm. Am auffallendsten waren ihre klaren, porzellanblauen Augen. Über ihrem grauen Haar trug sie ein festanliegendes Haarnetz. Obgleich sie keinen großen Wert auf ihr Äußeres zu legen schien, machte sie unbedingt den Eindruck, jemand zu sein; sie besaß das gewisse Etwas, das sich schwer erklären lässt.
Während sie zusammen zum Haus gingen, bemerkte Poirot schüchtern: »Es kann nicht leicht sein für Sie, Fremde in Ihrem ehemaligen Haus wohnen zu sehen.«
Mrs Folliat antwortete erst nach einer kurzen Pause; ihre Stimme war klar und deutlich und erstaunlich kühl.
»So vieles ist nicht leicht, M. Poirot«, sagte sie.
4
M rs Folliat ging voran ins Haus, und Poirot folgte ihr durch eine Tür auf der linken Seite, die zuerst in einen kleinen, reizend möblierten Salon und dann in ein großes Wohnzimmer führte, das voller Leute war. Ein lebhaftes Stimmengewirr herrschte; alle schienen gleichzeitig zu sprechen.
»George«, sagte Mrs Folliat. »Das ist M. Hercule Poirot, der uns freundlicherweise helfen will. Sir George Stubbs.«
Sir George, der gerade mit lauter Stimme gesprochen hatte, drehte sich rasch um. Er war ein großer Mann mit einem lebhaften, roten Gesicht und einem Bart, der irgendwie nicht zu ihm zu passen schien und durch den er den Eindruck eines Schauspielers machte, der sich noch nicht recht entschieden hat, ob er den Landedelmann spielen soll oder den ungehobelten Naturburschen aus den Kolonien. Bestimmt hätte man ihn, trotz Michael Weymans Bemerkung, nicht für einen Seemann gehalten. Sein Benehmen und seine Stimme waren jovial, aber seine kleinen, durchdringenden blauen Augen hatten einen gerissenen Ausdruck.
Er begrüßte Poirot herzlich.
»Wir freuen uns außerordentlich, dass es Ihrer Freundin, Mrs Oliver, gelungen ist, Sie herzulotsen«, sagte er. »Das war wirklich eine glänzende Idee. Sie werden eine enorme Attraktion sein.«
Er sah sich etwas suchend um.
»Hattie?« Er wiederholte den Namen in einem etwas schärferen Ton. »Hattie!«
Lady Stubbs saß, von den anderen etwas entfernt, in einem bequemen Sessel. Sie schien sich für die Vorgänge im Zimmer nicht zu interessieren und blickte lächelnd auf ihre Hand, die auf der Sessellehne lag. Sie drehte sie hin und her, so dass sich das Licht im grünen Schimmer des Smaragdringes an ihrer Linken brach.
Jetzt blickte sie mit einem leicht erstaunten, kindlichen Ausdruck auf und sagte: »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Poirot beugte sich über ihre Hand.
Danach machte Sir George ihn mit den übrigen Anwesenden bekannt.
»Mrs Masterton.«
Mrs Masterton war eine imposante Frau, die Poirot ein wenig an einen Bluthund erinnerte. Sie hatte einen vorstehenden Unterkiefer und große, traurige, leicht blutunterlaufene Augen.
Sie neigte sich grüßend und setzte dann ihre Unterhaltung fort. Sie hatte eine tiefe Stimme, die Poirot wiederum an das Anschlagen eines Bluthundes erinnerte.
»Dieser alberne Streit um das Teezelt muss beigelegt werden, Jim«, stellte sie mit Entschiedenheit fest. »Sie werden Vernunft annehmen müssen; wir dürfen es nicht zulassen, dass unser Gartenfest ein Fiasko wird, weil sich die Frauen aus dem Dorf nicht einigen können.«
»Sehr richtig«, erwiderte der Mann, an den ihre Worte gerichtet waren.
»Captain Warburton«, stellte Sir George vor.
Captain Warburton, der eine karierte Sportjacke trug und ein Pferdegesicht hatte, lächelte und entblößte dabei eine stattliche Anzahl weißer Zähne, dann wandte er sich wieder Mrs Masterton zu.
»Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde die Angelegenheit in Ordnung bringen«, sagte er. »Ich werde ihnen zureden wie ein guter Onkel. Wo wollen wir das Zelt der Wahrsagerin aufstellen? Bei der Magnolie oder am anderen Ende der Wiese bei den Rhododendronsträuchern?«
Sir George führte Poirot zu einem jungen Paar.
»Mr und Mrs Legge.«
Mr Legge war ein hoch gewachsener junger
Weitere Kostenlose Bücher