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Wiegenlied Roman

Titel: Wiegenlied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Cantz
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ist.«
    Wortlos nahm Helene die Kerze und stand auf. Elgins Buch, sagte sie sich, würde sie morgen holen und es zusammen mit den anderen geburtshilflichen Schriften fortsperren, obwohl sie bezweifelte, dass Elsa weiter in Büchern Antworten auf ihre Frage suchen würde.
    Sie streckte die Hand nach ihr aus.

    »Komm mit. Sonst weckst du wirklich noch das ganze Haus.«
    Während Elsa sich in ihr Federbett wickelte und die Vorhänge ihres Bettes zurückband, wünschte Helene, sie wäre ahnungslos wie der verblassende Mond.
    »Was können wir tun?«, fragte Elsa. Mit einem Mal wirkte sie aufgekratzt. »Ich weiß, dass es Kräuter gibt, die das Monatliche wiederherstellen.«
    »Natürlich weißt du das«, sagte Helene. »Schließlich bist du die Tochter eines Arztes und einer Hebamme. Schon allein deshalb müsste dir bekannt sein, dass gewisse Dinge andere nach sich ziehen.«
    »Wenn dir daran liegt, kleine große Schwester, gebe ich gern zu, dass es Momente gibt, in denen ich nicht nachdenke. Und über das, was jetzt zu tun wäre, reicht mein Wissen von hier bis zum Eckpfosten meines Bettes. Ich habe es mit heißen Sitzbädern versucht, das war alles, was mir einfiel. Ich konnte ja schlecht jemanden fragen.«
    Helene nahm ihr wollenes Umschlagtuch vom Bett und lehnte sich an den Kachelofen, denn plötzlich war ihr kalt.
    »Wie oft ist das Monatliche ausgeblieben?«, fragte sie.
    »Dreimal.« Elsa zupfte unsichtbare Dinge von der Bettdecke.
    »Das muss noch gar nichts heißen«, sagte Helene, »es sei denn, du hättest Kindsregungen gespürt.«
    »Um Gottes willen, nein. So weit will ich es auch wahrhaftig nicht kommen lassen.«
    »Es könnte auch nur eine Stockung des Blutes sein.«
    »Was auch immer es ist, tu um Himmels willen etwas dagegen.«
    »Das kann ich nicht, solange ich nicht weiß, ob du schwanger bist oder nicht.«

    Elsa griff nach einem Salbentiegel auf ihrem Nachttisch.
    »Wenn ich es richtig sehe, macht das in der Anwendung der Mittel keinen Unterschied.«
    Schweigend beobachtete Helene, wie Elsa mit konzentrierter Sorgfalt Hände und Ellbogen einrieb.
    »Ich wüsste zu gern, was du getan hättest, wenn Mutter nach Berlin gekommen wäre.«
    »Wie meinst du das?«
    »Hättest du sie auch um Hilfe gebeten?«
    Elsa legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
    »Natürlich nicht!«, sagte sie.
    »Warum fragst du dann mich?«
    »Du bist meine Schwester.«
    »Aber was ändert das? Hast du überhaupt eine Ahnung, was du da von mir verlangst, gerade weil ich deine Schwester bin? Ich würde dein Leben aufs Spiel setzen - das verstehst du offenbar nicht.«
    »Mein Leben, so wie ich es will, wäre zu Ende, wenn ich ein Kind bekomme.«
    Elsa sah zu Helene herüber, die ihren Platz am Ofen verlassen hatte und sich an ihren Büchern zu schaffen machte, als wäre es wichtig, sie genau in diesem Moment zu ordnen.
    »Und ich glaube, du übertreibst absichtlich, um mir Angst zu machen.«
    »Keineswegs«, sagte Helene. »Ich habe Frauen sterben sehen, weil sie nach Hörensagen Mittel genommen hatten, die ihnen gefährlich wurden.«
    »Es gibt also Mittel, ich wusste es! Helene! Sag mir einfach nur, wie sie heißen«, flüsterte Elsa aufgebracht. »Lass mich wissen, wie ich sie anwenden muss, dann hast du selbst nichts damit zu tun.«

    »Nein.«
    »Du willst mir also nicht helfen.«
    Ein hölzernes Knacken ließ beide zusammenschrecken. Wie ertappte Kinder lauschten sie nach oben, wo sich unter dem Gebälk des alten Hauses jedoch nun wieder alles still verhielt.
    »Du hast mir noch immer nicht gesagt, wer der Mann ist, der dir das angetan hat«, flüsterte Helene.
    »Er hat mir nichts angetan«, gab Elsa leise zurück. »Er ist ein Ehrenmann. Ich habe ihn verführt, und damit hast du ein weiteres Geständnis meiner Schuld. Ich fürchte, seine absolute Ehrenhaftigkeit reizte mich.« Gedankenverloren wickelte Elsa eine Haarsträhne um den Finger. »Seine Niederlage war tatsächlich herzergreifend.«
    Es ärgerte Helene, sie lächeln zu sehen.
    »Dann weiß ich nicht, warum du meinst, in Schwierigkeiten zu stecken«, sagte sie kühl. »Es klingt doch ganz so, als würde dieser Mann dich mit Freuden heiraten wollen. Oder möchtest du eine bessere Partie abwarten?«
    Elsa sprang auf. Die Bettdecke lag um ihre Schultern wie ein Krönungsmantel.
    »Wie schnell doch deine Liebe für mich am Ende ist«, sagte sie leise. »Ich dachte, die Zeiten, in denen man Schauspielerinnen für Huren hielt, wären vorbei. In meiner

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