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Wiegenlied Roman

Titel: Wiegenlied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Cantz
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Aufmerksamkeit der Eingeweidelehre zuwenden wollen. Ich möchte Sie bitten, für mich eine kleine Niederschrift aus dem Geiste anzufertigen.«
    Er wandte sich dem Bücherschrank zu und fuhr mit dem Zeigefinger über die Rücken einer Reihe von Büchern, bevor er eines herauszog.
    »Sagen wir … die Betrachtung des Bauchfells im Ganzen, der Netze im Besonderen.«
    Er ließ sich in einem Sessel am Fenster nieder und schlug das Buch auf.
    »Damit Sie es gleich wissen, Helene Heuser, ich verweigere jede Debatte über verwegene Ideen, bevor Sie nicht das Diner meiner Frau in einem hübschen Kleid absolviert haben.«
     
    Noch am selben Abend kam ihr Vater auf Finlay Gordon zu sprechen, als er ihr vor dem Schlafengehen einen Besuch abstattete.
    »Ich hörte, er war zu einem Gespräch mit Hähnlein in der Charité«, sagte Clemens. »Offensichtlich seid ihr einander nicht begegnet.«

    »Nein«, sagte sie und fuhr damit fort, die Lichter im Schlafsaal der Schwangeren zu löschen.

    Wenn Perdita Roon die Süße eines Schäferstündchens mit ihrem neuen Galan genoss und ihre Klagelaute durch die Beletage des Hauses zogen, dann wünschte sich Sidonie mit stummer Wut zurück in das Zimmer mit den grünen Tapeten. Doch es würde kein Zurück mehr geben dorthin, denn mit Friedo von Trapp war auch Celestine ins Haus eingezogen. Die als Sklavenkind in Guadeloupe geborene Mulattin hatte Haut, so dunkel und weich wie ein Maulwurffell, tiefschwarze Augen und krauses Haar, das sie in grellbunte Turbane wickelte. Celestine war die Attraktion an der Königsmauer, und in Friedo glaubte Perdita indessen ihr vollkommenes Glück zu finden.
    Sidonie, die mit hochgelegten Füßen vor dem offenen Fenster des Zimmerchens saß, das Perdita ihr zugewiesen hatte, ließ den Kopf nach hinten in Lulas Hände fallen und schloss die Augen, als ihre Fingerspitzen sanft kreisend über ihre Schläfen zu streichen begannen. Obwohl an Lula rein gar nichts mehr zu verdienen war, hatte Perdita ihre dienstälteste Hure im Haus behalten. Als Frisiermamsell bemutterte sie die jungen Dinger, wozu Perdita weder Lust noch Talent hatte, wohingegen sie über einen Instinkt verfügte, der ihr sagte, dass sie den Mädchen einen Anstrich von Zuhause geben musste, damit sie gut arbeiteten.
    »Wie von Sinnen, die olle Roon«, schnaubte Lula, als Perdita ihr finales Seufzen dieses Nachmittags hören ließ. »Kaum
hat er sie ein paar Mal in die Matratzen gedrückt, glaubt sie wieder an die wahre Liebe.«
    »Soll sie doch von Sinnen sein, das stimmt sie gnädig«, sagte Sidonie. Sie drehte die Haarbürste in den Händen und beobachtete über dem Dach des gegenüberliegenden Hauses einige Schwalben, die in den bleigrauen Berliner Himmel stießen.
    »Seit die Negerin im Haus ist, bin ich verdammich darauf angewiesen, dass Perdita weichhäutig ist.«
    Lulas Finger gruben sich sanft in Sidonies offenes Haar, um mit leichtem Druck die Kopfhaut zu massieren, was nun auch Sidonie ein Seufzen entlockte und Lula glücklich machte.
    »Aber wer weiß schon, ob es in Wirklichkeit nicht mit meinem dicken Bauch zu tun hat, dass mir die Kundschaft abhandenkommt.«
    Getragen von Lulas Händen, ließ Sidonie ihren Gedanken freien Lauf. »Ob es sie abstößt, was meinst du? Oder macht es ihnen Angst?«
    »Woher soll ich denn wissen, was in den dussligen Köpfen von diesen Schubiacken vor sich geht? Wenig bis gar nichts, wenn sie zu einer Hure gehen, würd ich doch meinen. Und was die Negerin angeht, Kindchen, du solltest dir keinen Kopf machen deswegen. Wenn die eine Weile hier ist, ist sie auch von gestern. Es kommt alles wieder in Ordnung.«
    »Weißt du, das glaub ich nicht, Lula. Sie kann mit Geistern sprechen, sagt Perdita. Die Tische wackeln unter ihren Händen, deshalb hat sie das grüne Zimmer gekriegt.«
    »Bis jetzt hab ich sie nur mit ihrem schwarzen Hintern wackeln sehen«, brummte Lula, die gute Seele. »Insofern
macht sie nichts anderes als alle von uns, nur eben ausländischer.«
    Sie griff nach der Bürste in Sidonies Händen, wobei ihre schweren Brüste mit Sidonies Hinterkopf in Berührung kamen, was weniger beiläufig geschah, als es den Anschein hatte, denn mit Lula verhielt es sich so, dass sie Frauen liebte. Sidonie schätzte die Gewandtheit ihrer Hände, sofern sie sich darauf beschränkten, ihr Haar zu bürsten, ihren Nacken zu kitzeln und, seit das Gewicht des Kindes ihr das Kreuz stauchte, ihr kräftig den Rücken durchzuwalken, während sie im Hemd auf der Seite

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