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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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sei endgültig vorbei.«
    Auch er hatte das gedacht.

21
    Die Sonne stand noch recht hoch am Himmel, als Agnès de Vaudreuil in Sichtweite des Dorfes kam. Seit sie das Herrenhaus überstürzt verlassen hatte, ritt sie in vollem Galopp dahin. Sie war schon ganz grau vom Staub, den die Hufe des Pferdes aufwirbelten, die Wangen waren gerötet, und auf der Stirn glänzten Schweißperlen. Ihr langes Haar war ziemlich zerzaust von dem wilden Ritt, und aus ihrem Zopf, der kaum noch hielt, hatten sich schwarze Locken gelöst. Ihr Gesicht drückte eiserne Entschlossenheit und nur mühsam gezügelte Wut aus. Ihr Blick war starr auf das Ziel gerichtet, und ihr schnaubendes Pferd stürmte unaufhaltsam voran.
    Das Dorf, einst nur ein einfacher kleiner Weiler am Knotenpunkt zweier Straßen, die sich durch die angrenzenden bewaldeten Hügel wanden, war rund um die Kapelle immer größer geworden. Es war zwar immer noch nicht mehr als eine Zwischenstation auf dem Weg nach Chantilly, aber es
verdankte seinen aufkeimenden Wohlstand dem Gasthof Zum Silbernen Fässchen , der weithin für die Qualität seiner Küche und seines Weinkellers, aber auch für die reizende Gesellschaft hübscher Saalmädchen bekannt war. Die Leute aus der Umgebung kamen oft auf ein Gläschen vorbei, und ortskundige Reisende übernachteten nur zu gern dort, wenn ihre Geschäfte sie nicht zwangen, schon bei Tagesanbruch in Chantilly zu sein.
    Agnès zügelte ihr Pferd, als sie die ersten Häuser erreicht hatte. Über den Dorfweg aus gestampfter Erde lenkte sie ihr Pferd im Trab auf den Dorfplatz zu. Vor dem Portal des Silbernen Fässchens stand eine Gruppe Menschen zusammen. Sie lachten und schwatzten, und manche fuchtelten dabei wild herum. Einer erklomm sogar eine verwitterte, mit Moos bedeckte Steinbank und stellte für die anderen scherzend und wild um sich schlagend eine Rauferei nach.
    Alle schienen bester Laune zu sein, so als hätten sie gerade eine gelungene und äußerst unterhaltsame Theateraufführung verfolgt. Agnès ahnte, wer Anlass zu dieser ausgelassenen Stimmung gegeben hatte, denn sie wusste, dass ein vergnügtes Publikum nicht unbedingt auf ein heiteres Schauspiel zurückzuführen sein musste. Die Menge lief auch zusammen, wenn die Bestrafung eines Verurteilten anstand, und labte sich an den Schreien und Qualen der Gemarterten.
    Als die Reiterin an ihnen vorbeikam, zogen einige ehrerbietig den Hut, und der Laienmime stieg schleunigst von seiner Bank herunter.
    »Wer ist denn das?«, fragte jemand.
    »Die Baronin de Vaudreuil.«
    »Donnerwetter!«

    »Du sagst es, mein Freund. Das können wir jetzt erleben …«
     
    Das Gasthaus Zum Silbernen Fässchen mit seinen windschiefen Gebäuden aus altem, grauem Stein, der mit Efeu bewachsenen Fassade und den ziegelroten Dächern bot einen beschaulichen Anblick.
    Agnès galoppierte durch das Eingangsportal und sprang sogleich vom Pferd. Die Sporen klirrten, als sie die Absätze ihrer hohen Stiefel auf den Hof setzte. Mit dem Ärmel wischte sie sich die glänzende Stirn, dann löste sie den zerzausten Zopf und schüttelte die schwarzen Locken. Trotz ihrer nachlässigen und verstaubten Kleidung scheute sie nicht die Blicke, die sie von allen Seiten auf sich zog, und sah sich suchend um.
    Vor dem Hauptgebäude entdeckte sie den Wirt, der sich bemühte, ein paar aufgebrachte Gäste zu beruhigen. Wütend drängten sie sich um ihn, schimpften lauthals und fuchtelten ihm drohend mit den Zeigefingern vor der Nase herum. Doch der Wirt ließ sich nicht beirren. Er machte beschwichtigende Gesten, versperrte ihnen aber hartnäckig den Zugang zur Gaststube, was seine Kundschaft nur noch wütender machte.
    Agnès bemerkte, dass die Kleidung einiger ebenso zu wünschen übrig ließ wie die ihre. Einer trug ein Wams mit an der Schulter abgerissenem Ärmel, der ihm nun um den Ellbogen schlackerte. Einem anderen hing das zerknitterte Hemd aus der Hose, und er presste sich ein feuchtes Tuch an die Stirn. Ein dritter wiederum hatte einen ramponierten Hut auf dem Kopf, und sein Kragen hing zerfleddert herunter.

    Als er ihrer gewahr wurde, ließ der Wirt die Herrschaften, die ihn bedrängten, einfach stehen und eilte auf Agnès zu. Im Gehen rief er einen Stallknecht herbei, der sofort Eimer und Mistgabel liegen ließ, um sich um das Pferd der Baronin zu kümmern.
    »Ah, gnädige Frau! Verehrte gnädige Frau!«
    Agnès marschierte entschlossen auf ihn zu, und da sie nicht innehielt, als sie auf seine Höhe herangekommen

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