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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Pevel
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zierten. Auch wenn man bei ihren Gewändern kaum von ›gering‹ sprechen konnte, wenn man die imposanten Ausmaße der Dame berücksichtigte.
    »Die wahre Eleganz liegt doch letztlich in den Feinheiten, nicht wahr?«, fügte der Krämer beharrlich hinzu.
    Feinheiten. Noch so ein Wort, dass nur schwerlich mit der üppigen Madame Laborde in Verbindung zu bringen war, die
mit gespreiztem kleinem Finger, aber geräuschvoll ihre Trinkschokolade schlürfte und dazu gierig Gebäck für drei verschlang.
    »Ganz recht«, antwortete Laincourt mit einem undurchdringlichen Lächeln. »Auf Wiedersehen, Monsieur Laborde.«
    Eilig stieg der Leutnant die Treppe bis zur zweiten Etage hinauf, ging vorbei an der armseligen Behausung, die die Hausangestellte der Krämersleute bewohnte, und betrat sein Domizil. Das Quartier bestand aus zwei bescheidenen Zimmern, stickig, düster und kalt. Aber er konnte sich nicht beschweren, denn jede Kammer hatte ein Fenster, auch wenn eines davon auf einen verkommenen Hof hinausging und das andere auf ein so schmales Gässchen, dass man mit ausgestrecktem Arm das gegenüberliegende Haus berühren konnte. Die Wohnstatt war karg eingerichtet: In der Schlafkammer standen ein Bett und eine Kleidertruhe, im zweiten Raum ein Tisch, eine wackelige Anrichte und zwei Stühle. Doch selbst diese wenigen Möbel gehörten ihm nicht selbst. Abgesehen von der Truhe, waren sie alle schon vorhanden gewesen, als er eingezogen war, und würden auch hier verbleiben, sollte er einmal fortziehen.
    Um die blitzblanke Wohnung nicht zu verschmutzen, zog Laincourt sogleich die Stiefel aus. Als er sie abstellte, nahm er sich wie so oft vor, sie bald von dem stinkenden Schmutz zu säubern, der die Straßen von Paris überzog. Dann hängte er seinen Degengurt und den Federhut an einen Haken und zog seinen Mantel aus.
    Auf dem Tisch lag Schreibzeug bereit, und Laincourt machte sich unverzüglich an die Arbeit. Er musste den Inhalt des Briefes festhalten, den er mittags im Arbeitszimmer von Richelieus Sekretär Charpentier gelesen hatte.

    Er schrieb ihn aus dem Gedächtnis nieder und verwendete dazu lateinische Wörter und griechische Grammatik. So entstand eine Art Geheimsprache, für dessen Entschlüsselung man beider Sprachen mächtig sein musste, die nur von Gelehrten beherrscht wurden. Während er den Briefbogen mit seiner engen Schrift versah, zögerte der Leutnant keinen Moment und ließ die Feder erst sinken, als er den letzten Punkt gesetzt hatte.
    Reglos und voller Ungeduld wartete er darauf, dass die Tinte trocknete. Da klopfte es an der Tür. Laincourt wendete angespannt den Kopf.
    Da es beharrlich weiter klopfte, beschloss er schließlich, doch zu öffnen.
    In der Tür stand die Bedienstete der Labordes, ein nettes Mädchen mit roten Wangen, das eine heimliche Liebe zu dem jungen Gardeleutnant hegte.
    »Ja?«
    »Guten Tag, mein Herr.«
    »Guten Tag.«
    »Ich weiß nicht, ob Ihr es schon erfahren habt, aber es war ein Edelmann hier.«
    »Ein Edelmann?«
    »Ganz recht. Er hat nach Euch gefragt.«
    »Und Monsieur Laborde war sicher gern bereit, über mich Auskunft zu geben …«
    Das Dienstmädchen nickte verlegen, als würde das unehrenhafte Verhalten ihres Herrn auch sie kompromittieren.
    »Hat dieser Edelmann auch seinen Namen genannt?«, fragte Laincourt.
    »Bedaure, mein Herr.«
    »Wie sah er denn aus?«

    »Er war groß, nicht gerade liebenswürdig und hatte schwarzes Haar und eine auffällige Narbe an der Schläfe … Er war mir … unheimlich.«
    Der Leutnant nickte mit undurchdringlicher Miene.
    Als Madame Laborde ihre Angestellte erblickte, rief sie sie unwirsch zu sich. Das Dienstmädchen deutete schnell einen Knicks an und kam dann dem Befehl ihrer Herrin eilig nach.
    »Danke«, rief ihr Laincourt nach.
    Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat er wieder an den Schreibtisch und ließ seine Niederschrift in ein Kuvert aus dünnem Leder gleiten. Dann schob er den Stuhl zur Seite, schlug den Teppich zurück, hob eine Bodenplanke an und versteckte das geheime Schriftstück darin, bevor er alles wieder an seinen Platz rückte.
    Oder zumindest fast alles.
    Er hatte sogleich bemerkt, dass eine Ecke des Teppichs umgeknickt liegen blieb: eine offensichtliche Unstimmigkeit, die mit der ansonsten so perfekten Ordnung im Zimmer brach.
    Der Leutnant zögerte einen Augenblick, dann machte er eine wegwerfende Geste und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. Er schlüpfte in die Stiefel, legte sich den

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