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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Proben?«
    »Ich versuche nur, die Wahrheit herauszufinden.«
    »Worüber?«
    Statt die Frage des Mannes zu beantworten, stand Gross einfach auf und nickte ihm höflich zu. »Ich bedanke mich für Ihre Zeit, Herr Hassler. Wie Sie schon sagten, ich sollte Sie nun weiterarbeiten lassen.«
    »Sie können Montenuovo und seiner Sippschaft ausrichten, dass ich ein Journalist bin, den man nicht einschüchtern kann. Ich werde damit fortfahren, die Wahrheit zu drucken, bis man Mahler zum Teufel jagt.«
    Die letzten Worte schleuderte er Gross hinterher, der bereits ins äußere Büro ging, an dem erstaunten Sekretär vorbei.
     
    Am nächsten Tag, einem Donnerstag, kämpfte Werthen in Altaussee mit einem widerspenstigen Fahrrad. Er war nicht mehr Fahrrad gefahren, seit er aus seinen Kniebundhosen herausgewachsen war. Es war auch keinesfalls seine Vorstellung von einem großen Vergnügen, aber jetzt war er hier und trat mit großem Eifer in die Pedale, schon um mit Mahler, einem geübten Radfahrer, mitzuhalten. Vor einer Stunde waren sie vonder Villa Kerry aus losgefahren. Nachdem Mahler von Werthens Entscheidung, nach Wien zurückzukehren, erfahren hatte, hatte sich der Musiker entschieden, aus dieser Abschiedsfahrt ein nachhaltiges Erlebnis zu machen. Offenbar wollte der Komponist Werthen für seine bevorstehende Abreise bestrafen. Mahler gehörte, wie Werthen vermutete, zu der Sorte Mensch, die auch die geringste Änderung eines Plans sogleich als Verrat wertete. Die Welt drehte sich allein um ihn. Alles, was die geordnete Rotation seines Ein-Mann-Sonnensystems störte, war ihm ein Gräuel.
    Der Ledersattel drückte sich schmerzhaft in Werthens Skrotum; von der langen Fahrt bergauf bekam er allmählich Krämpfe in den Waden. Sie folgten einem Ochsenpfad, der den südlichen Teil der Loser Berge durchquerte. Der Weg schlängelte sich von rechts nach links im endlosen Zickzack, und die Steigung war äußerst beschwerlich zu befahren. Werthen war verschwitzt und fühlte sich jämmerlich, aber er kämpfte weiter. So schnell würde er nicht aufgeben, und unterkriegen ließ er sich schon gar nicht.
    Mahler fuhr ihm immer weiter davon. Werthen verlor den ganz in Schwarz gekleideten Musiker schon bald aus den Augen. Dieser hatte nun einen solchen Abstand zwischen sie beide gelegt, dass er bereits um eine westliche Kurve verschwunden war, wenn Werthen gerade die östliche erreichte hatte.
    Da er Mahler aus dem Blick verloren hatte, versuchte er sich von seiner unangenehmen Pflicht des Radelns abzulenken, indem er die Vorkommnisse der letzten Tage gedanklich noch einmal Revue passieren ließ. Schließlich hielt er an, stieg vom Rad und marschierte mit dem Fahrrad in der Hand und trotz der Schmerzen in seinem verletzten Knie zügig weiter.
    Am Dienstagabend hatte er Berthes Telegramm erhalten und war sehr enttäuscht gewesen, dass ihm nun eine passende Ausrede fehlte, um früher als geplant nach Wien zurückzukehren. Aber er versuchte, eine gute Miene dazu zu machen. Er empfing seinen neuen Angestellten Wilhelm Tor am Bahnhof in Altaussee und nahm Mahlers Unterlagen entgegen. Werthen verstand sogleich, aus welchem Grund sich Berthe für diesen Burschen entschieden hatte: Er war das genaue Gegenstück zu Ungar. Ihm war klar, dass Berthe wegen der offenkundigen Schüchternheit des Mannes Mitleid mit ihm empfunden hatte. Aber nach einem kurzen Gespräch erschien auch ihm Tor als ein durchaus zuverlässiger Mann. Er war zwar nicht unbedingt jemand, mit dem man eine Flasche Wein trinken wollte, aber schließlich sollte er ja auch sein Angestellter werden und kein enger Freund.
    Am Dienstag war es dann viel zu spät geworden, als dass Tor noch in seine Linzer Wohnung hätte fahren können. Werthen buchte ein Zimmer in seinem Hotel, das etwas weniger luxuriös war als das seine. Am Morgen erbot sich Tor, einen Teil der Unterlagen abzuschreiben, da er die Akte auf seiner langen Zugreise überprüft hatte. Werthen war über diese Hilfe mehr als glücklich gewesen, da er bereits früh in der Villa Kerry zu erscheinen hatte. Er erklärte Tor den Weg; der Mann wollte die Abschriften später in der Villa abliefern, bevor er den Mittagszug nahm.
    Als Werthen dann am Mittwochmorgen zur Villa Kerry kam, bemerkte er eine Anzahl neuer Fahrräder, die an der Hauswand aufgereiht waren. Mahler plante ganz offensichtlich weitere anstrengende körperliche Aktivitäten, er konnte einfach nicht genug bekommen.
    Als er dann die Villa betrat, war er von der

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